Special
Wacken Open Air
Die Menschen hinter dem Wacken Open Air - Teil 1
2019 jährt sich das legendäre Wacken Open Air nun zum 30. Mal. Wenn das nicht mal Grund genug ist einen Blick hinter die Kulissen von Deutschlands größtem Metalfestival zu werfen und damit auch einmal die Menschen zu beleuchten, ohne die das Festival niemals stattfinden könnte. In fast 30 Jahren sind somit einige Geschichten zusammengekommen, manche etwas abgefahren, andere herzerwärmend, wieder andere hintergründig oder einfach nur lustig.
Los geht es mit dem Mann, ohne den es die kreative Wacken Merchandise, welche Jahr für Jahr tausende Leute an die Verkaufsstände zieht, nicht geben. Sein Name lautet Stefan Matuschek: „Wir machen das Merchandising für das W:O:A seit 22 Jahren und arbeiten wirklich gut und sehr gerne mit den Veranstaltern und ihrem Team zusammen. Von Shirts über Hoodies bis hin zu Taschen bedrucken wir eigentlich alles, wo das offizielle Festivallogo draufsteht. Die Arbeit an der jährlichen Kollektion beginnt schon mehrere Monate vorher, wenn die Grafiker Hunderte von Entwürfen und Ideen zu neuen Motiven vorlegen. Mit der eigentlichen Produktion wird erst kurz vor der Veranstaltung begonnen, da bis zur letzten Minute noch Änderungen an den tatsächlich auftretenden Bands – die ja auf vielen Shirt-Rückseiten stehen – passieren können. Manchmal gibt es auch besondere Bestellungen wie 2015: Da war das Wetter so schlecht, dass die Chefs auf die Idee kamen, kurzfristig ein „Wacken Mudfighters“-Shirt herstellen zu lassen – quasi als Belohnung und kleine Trophäe für die harte Zeit im Matsch.“
Dann gäbe es da auch noch Gerd Nottelmann, seines Zeichen Feuerwehr-Einsatzleiter. Er kam zum W:O:A wie die Jungfrau zum Kind oder der Festivalbesucher zum Matsch an den Schuhen, denn als Gemeindewehrführer der Freiwilligen Feuerwehr in Holstenniendorf, dem Nachbarort von Wacken, ist Nottelmann laut Brandschutzgesetz schlicht zuständig: „Normalerweise haben wir im gesamten Jahr sechs bis zehn Einsätze, da ist das W:O:A natürlich jedes Mal ein Höhepunkt. Wir wechseln uns mit den Kollegen aus Wacken und Gribbohm im Schichtdienst ab. Seit 2001 bin ich dabei und musste damals erstmal lernen, wie das so ist, wenn man „ein büschen mehr“ organisieren muss. Deshalb habe ich eine einwöchigen Stabsübung in Ahrweiler erarbeitet. Wir haben also in Rheinland-Pfalz Wacken gespielt. Es gab mehrere Szenarien einer Großlage, zum Beispiel einen Tornado, eine Pandemie und anderes, um die Einsatzleitung zu testen. Als Lehrer fungierten dabei Leute vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe sowie Experten der Feuerwehr Berlin und Polizei Bochum. Die Festivalorganisatoren, die Polizeiführung und der Rettungsdienst waren auch dabei. Verteilt auf drei Tage wurde dort in Echtzeit 24 Stunden W:O:A geprobt. Danach sind wir dann gemeinsam zu Rock am Ring gefahren und haben mit den Kollegen und Organisatoren vor Ort über ihre Erfahrungen und Sicherheitsmaßnahmen gesprochen. Zum Abschluss gab es noch eine Weinprobe. Unsere Truppe hat sich seither nicht groß verändert. Das schweißt zusammen, man weiß eben, wie alles ineinandergreift. Aber wir haben mit den Festivalbesuchern auch wirklich Glück, hier gab es schon immer tolles Publikum. Alle verhalten sich extrem vorbildlich und freundlich. Deshalb ist es jedes Jahr schön, wenn es wieder losgeht. Entspannen kann ich mich aber erst, wenn alles gut gelaufen ist und ich Sonntagnachmittag auf meiner Terrasse sitze.“
Wem etwas ganz besonders auf der Seele brennt, der ist bei Uli Kruse an der richtigen Adresse. Als ehrenamtlicher Chef-Seelsorger hat er stets ein offenes Ohr für den Kummer anderer: “Der Mann war mehr als 30 Minuten gelaufen und wollte zur Feuerwehr, aber wir konnten auch helfen. Wir hatten Nägel, die lagen bei uns rum, er hat das gesehen. Nach zwei Stunden kam er dann nochmal zurück und bedankte sich für die Hilfe. Am nächsten Morgen stand er wieder bei uns und begann zu erzählen: Stress mit der Ex, Sorgerechtsstreit, Alkoholprobleme, gerade den Job verloren. Wir haben dann fast jeden Tag geredet. Mit acht Leuten haben wir damals angefangen, heute sind wir 20 ehrenamtliche Mitarbeiter, darunter Pastorinnen, Pastoren, Psychotherapeuten, Sozialarbeiter, Erzieher und Studierende, zehn Männer und zehn Frauen zwischen 25 und 72 Jahren. Wir arbeiten in Vier-Stunden-Schichten, zweimal am Tag, von Dienstagvormittag bis Sonntagmittag. Die Problemlagen sind vielfältig. Da geht es um Ängste, Überforderungen, Probleme in der Schule oder am Arbeitsplatz, Verlust, Trauer, Depressionen, Suchtprobleme, Gewaltopfer und Verwirrte. Aber diese Probleme entstehen nicht in Wacken, die Teilnehmerinnen und Teilnehmer kommen damit aufs W:O:A. Im Alltag fehlt ihnen oft die Zeit, darüber zu sprechen, hier haben sie sie dann plötzlich – und Konflikte brechen heraus. Als psychologischer Psychotherapeut hatte ich auch vor Wacken mit Freaks aus der Szene zu tun. Ich war immer wieder auf verschiedenen Veranstaltungen, auch hinter der Bühne. Es gibt aus meiner Erfahrung kein Festival in Deutschland, dass so friedlich läuft. Ausufernden Drogenkonsum, schwere Kriminalität, Gewaltexzesse – so etwas gibt es hier nicht. Hardcore ist nur der Geräuschpegel: Wir sitzen direkt am Infield, bei Polizei und Rettungsdienst. Wenn ich mich nach dem W:O:A aufs Motorrad setzte, genieße ich erstmal den Helm auf dem Kopf, das Abgeschirmtsein, und zu Hause lege ich ein Klavierkonzert auf. Ich brauche dann zwei Tage, um wieder alles zu hören. Aber trotz der Erschöpfung lohnt es sich immer wieder. Mein Besucher von unserem ersten W:O:A kommt seither jedes Jahr, um zu reden und sich zu bedanken. Inzwischen hat er umgeschult, einen neuen Job, guten Kontakt zur Ex und sieht seinen Sohn regelmäßig. Der Nagel war übrigens ganz praxisorientiert für ein loses Brett am Boden seiner Zeltkonstruktion – aber auch gut für das Einschlagen eines neuen Lebensweges.“
Auch das Thema Sicherheit wird jedes Jahr auf dem Wacken Open Air ganz groß geschrieben. Neben den vielen Security-Mitarbeitern ist auch dein Freund und Helfer, besser gesagt die Polizei immer vor Ort, um sich mit den leider doch ab und an mal auftretenden, nicht ganz gesetzeskonformen Vorkommnissen auseinanderzusetzen. Zu ihnen gehört auch Kriminalhauptkommissar und damit Wacken-Polizei-Chef Jörg Stammer: “Ich bin seit 2009 auf dem W:O:A im Dienst und leite mit zwei weiteren Kollegen die Wache, die wir hier jährlich aufbauen. Fast täglich gibt es bei uns kuriose Geschichten. Zum Beispiel kommen immer wieder Besucher, die ihren Zeltplatz nicht wiederfinden. In diesem Jahr standen an einem Abend zwei junge Damen vor unserer Wache, die am Morgen aus Süddeutschland angereist waren, ihr Zelt aufgebaut hatten und sofort losgestiefelt sind. Abends kamen sie dann völlig verzweifelt zu uns und wussten nicht mehr, wo sie hin sollten. Mehrere Kollegen sind fast drei Stunden mit ihnen auf die Suche gegangen und haben das Zelt auch gefunden. Die Damen waren heillos glücklich. 2017 hat ein Gast sich tatsächlich über zu laute Musik im Bereich der Camping-Area beschwert. Auf einem Heavy Metal-Festival ist das schon außergewöhnlich. Ganz besonders ist mir aber ein Metaller in Erinnerung geblieben, der gar nicht bei uns auflief, sondern drüben bei den Sanitätern. Seine Freunde hatten ihm, offenbar während er schlief, ein Fünf-Liter-Weißblech-Bierfass an die Stirn geklebt. Allerdings nicht mit Gaffa, sondern mit Sekundenkleber! So war er sprichwörtlich zum „Metal-Head“ geworden. Die Sanitäter konnten ihm helfen, aber das Bild vergesse ich sicher nicht. Ansonsten muss man sagen, dass alle Kollegen, die aus dem gesamten Bundesland Schleswig-Holstein hier zum Dienst antreten, freiwillig und wirklich sehr gern auf dem Wacken arbeiten. Der Job ist jedes Jahr heiß begehrt! Das liegt zum einen daran, dass dieses Festival als absolut friedlich gilt. Zum anderen aber auch daran, wie wir Polizisten hier von den Besuchern aufgenommen werden. ‚Ihr macht einen ganz tollen Job‘, ,Ihr seid immer präsent, aber nie aufdringlich’, ,Wir können euch immer ansprechen’ – solche Sätze hören die Kollegen hier sehr oft. Auf Wacken kann ich alleine in Uniform über den Campground laufen und muss als einzige Attacken spontane Umarmungen, Selfie-Wünsche und Dankerufe befürchten. Das ist für alle Kollegen einfach außergewöhnlich, aber genau das macht das Wacken eben auch aus und so besonders.“
Welche Menschen sich noch alles im Hintergrund des legendären Wacken Open Airs bewegen und den Festivalgängern mit Rat und Tat oder auch einer helfenden Hand zur Seite stehen erfahrt ihr im zweiten Teil des Wacken Specials über die Menschen hinter dem Metalfestival.
Kitty N., 01.06.2019
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