Konzertbericht

Sleeping With Sirens, Mallory Knox

This Wild Life

Grandiose Vorbands in München

München, Technikum
24.02.2016

Euphorisch schleudert Sänger Kellin Quinn sein Mikro hoch in die Luft. Beim Versuch es zu fangen greift er daneben, krachend schlägt es auf der Bühne auf. Die Parallelen zum Auftritt seiner Band Sleeping With Sirens im Münchner Technikum sind offensichtlich – doch dazu später mehr.

Den Abend beginnen die US-Amerikaner von Beach Weather, die mit ihrem verspielten Indie-Rock überzeugen. Danach betreten This Wild Life die Bühne. Sänger und Gitarrist Kevin Jordan macht mit seinem schwarzen Vollbart einen wilden Eindruck, weshalb viele der Zuschauer unter dem Namen This Wild Life wohl eher eine Metal-Core-Band erwarten. Sein am ganzen Körper tätowierter Bandkollege Anthony Del Grosso passt in dieses Schema. Wie sehr der erste Eindruck täuschen kann, zeigt sich schon nach wenigen Sekunden.

Die beiden Jungs von This Wild Life zaubern verträumten Akustik-Pop südkalifornischer Prägung aus ihren Instrumenten. Jeder der Songs strotzt vor Melancholie und Sommerwärme. Erstaunlich ist vor allem, wie klar Kevin Jordan seine Stimme auf der Bühne zu modulieren weiß und jeden Ton trifft. Der Sound ist perfekt abgemischt, jeder Ton sitzt. Der Sänger schafft es, nicht bloß die Songs des Debütalbums „Clouded“ zu singen, sondern die Melodien für die Bühne zu variieren. Kein Wunder, dass Kritiker die Band als eine der Entdeckungen des Jahres 2014 feierten.

Die Erfolgssingle „No more Bad Days“ widmet Kevin Jordan seiner an Krebs erkrankten, alleinerziehenden Mutter: „I grew up with a single mother that showed me the true meaning of hard work, unconditional love, and perseverance. No one is stronger than my Mom. Really, she was and still is a superhero in my eyes.“ Das grandiose Bring Me The Horizon-Cover von „Sleepwalking“ sorgt für erste Begeisterungsstürme im Publikum. München singt mit, während This Wild Life mit zarter Stimme und Akustikklampfe zum Träumen einladen. Nach der Show verrät Sänger Kevin Jordan, dass er normalerweise kaum Akustik-Musik mag – und dass die Band bereits an einem neuen Album schreibt, das noch in diesem Jahr veröffentlicht werden soll.

Danach betreten die Briten von Mallory Knox die Bühne. Mit „Shout At The Moon“ läutet die Kombo aus Cambridge ihren Auftritt ein. Die Band schäumt vor Energie, die sich sofort auf die Zuschauermasse vor der Bühne überträgt. Sänger Mikey Chapman gibt den Entertainer und überzeugt durch seine charmante Art viele Münchner. Als Vorband drängt die Zeit, deshalb gibt es nur die nötigsten Ansagen zwischen den Songs. Mallory Knox wollen möglichst viel ihrer Kunst präsentieren und verzichten deshalb auch auf den siebenminütigen Fan- und Bandfavoriten „She took him to the Lake“.

Trotzdem bieten sie eine gut gewählte Setlist quer durch ihre beiden bisherigen Alben. Gerade die Songs des aktuellen Albums „Asymmetry“, wie „Ghost in the Mirror“, sind mit ihrem Stadion-Rock und den eingängigen Texten wie geschaffen für die Bühne und laden zum Mitsingen ein. Die vielen Chorpassagen in den neuen Songs werden schnell vom Publikum mitgesungen. Wie schon bei This Wild Life ist der Sound glasklar, Sänger Mikey Chapman’s Stimme kommt toll zur Geltung, genauso wie die Background-Vocals von Bassist Sam Douglas.

„I wanna see a Mosh Pit!“, ruft Mikey plötzlich während „Death Rattle“. Schnell schart sich ein kleiner Pit vor der Bühne, doch noch darf dieser nicht losbrechen. „Don’t start, wait for me“, hält er die Spannung hoch. Während sich die Kreisenden voller Vorfreude taxieren, lässt Mikey den Blick grinsend über die Menge im Technikum wandern. Obwohl die meisten Fans wegen Sleeping With Sirens hier sind, hängt die Halle an seinen Lippen. Auf sein Zeichen hin brechen die Dämme und vor der Bühne entfacht sich der Pit. Nach kurzer Zeit ist der Spuk schon wieder vorbei, doch ein Blick in die glücklichen verschwitzten Gesichter der Zuhörer lässt nur ein Urteil zu: Mallory Knox haben eine gelungene Rockshow abgeliefert. "Lighthouse" setzt dem zum Abschluss nur noch die Krone auf.

Der Hauptact Sleeping With Sirens kann das vorgelegte Niveau allerdings nicht halten. Sänger Kellin Quinn, dessen Markenzeichen seine extrem hohe Tonlage ist, hat hörbar mit technischen Problemen zu kämpfen. Sein Mikro ist viel zu leise eingestellt, sodass er mit seiner zarten Stimme zwischen den lauten Drums und der E-Gitarre völlig untergeht. Selbst die Background-Vocals seines Bandkollegen Justin Hills sind besser zu verstehen. Zudem scheint er an diesem Abend nicht besonders motiviert zu sein. Die Ansagen klingen lustlos, rufen bei den überwiegend weiblichen Fans aber trotzdem immer wieder laute Kreisch-Attacken hervor. Lediglich an einigen Stellen, wenn die Instrumente schon fast verstummt sind und Kellin mit einem Solo den Song beendet, wird sein Stimmtalent deutlich.

Bei der Setlist liegt der Schwerpunkt eindeutig auf dem aktuellen und poppigsten vierten Album „Madness“, von dem an diesem Abend acht Songs gespielt werden. Lieder wie „The Strays“, „Gold“ und „We Like it Loud“ werden vom Münchner Publikum abgefeiert. „If I'm James Dean, Then You're Audrey Hepburn" vom Debütalbum ist einer der Höhepunkte des Abends. Erstaunlich umtriebig zeigt sich Gitarrist Nick Martin, der sich dank kabelloser Gitarre immer wieder ins Publikum wagt und mehrmals die Halle umrundet.

Nach 50 Minuten verlassen Sleeping With Sirens die Bühne, um wenig später für zwei Zugaben erneut zu erscheinen. Die beiden Klassiker „Do It Now Remember It Later“ und „If you can’t hang“ zeigen, zu was die Band mit ihren schnellen Songs eigentlich fähig ist. Leider schöpfen sie ihr Potenzial an diesem Abend nicht aus. Nach nur 55 Minuten ist die Show beendet. Legt man die rosarote Fanbrille weg, war diese Performance für einen Headliner eine wirkliche Enttäuschung.

Michael Hellstern25.02.2016

TRACKLIST

Weitere Cd-Besprechungen und Stories
Sleeping With Sirens, Mallory Knox, This Wild Life [Konzertempfehlung]  [Interview] Mallory Knox, Tonight Alive, One OK Rock - Mallory Rocks! [Konzertbericht] Mallory Knox - Asymmetry [Cd] Mallory Knox, One OK Rock [Konzertempfehlung]

Leserkommentare

Zu diesem Konzertbericht wurde noch kein Kommentar geschrieben.

  • Um einen Kommentar zu schreiben, musst du dich einloggen.

BIZARRE RADIO PRÄSENTIERT