Interview

Philiae

Ein bißchen Propaganda in eigener Sache

Die 5 Musiker von Philiae waren bis vor kurzem noch nicht so in aller Munde. Wen wundert es bei dem doch augenscheinlich recht schwer auszusprechenden Bandnamen. Doch seit dem Support der Industrial Rocker von Jesus on Extasy dürfte sich das wohl geändert haben. Damit aber auch nun der letzte Rest der unwissenden Musiknation beim Thema Philiae mitreden darf, haben wir die Band, bestehend aus Sänger Guido Maria Kober, Bassist Alex Frank, Sounds- und Visualistfachmann Patrick Debus, Gitarrist John Keffer und Drummer Julien Schmidt zu einem kleinen Interview getroffen.

Bizarre Radio: Erst einmal lieben Dank, dass ihr euch heute die Zeit nehmt um Bizarre Radio mal ein wenig Rede und Antwort zu stehen. Ich hoffe es geht euch soweit gut?

Julien: Ja geht so… Wir sind ja jetzt nach dem kurzen Tourauftakt erst mal wieder zu Hause. Das heißt warten auf den 25.10. bis die Tour weiter geht. Für mich findet das einzig wirkliche ertragbare Leben auf der Straße und in Clubs statt.

Guido Maria Kober: Etwas benommen. Merkwürdig ein paar Tage Blut zu lecken, und dann einfach eine abrupte Pause einlegen zu müssen! In Städte zu fahren, um für Leute zu spielen, die unsere Platten kennen, ist das größte.

BR: Erzählt doch mal zu Beginn ein wenig über euch. Wer seid ihr und was macht ihr?

Julien: Wir sind Philiae und machen Post Industrial Rock.

Alex: Post Industrial Rock hat nichts mit Post Industrial zu tun, sondern ist Rock Musik in der Post Industrialisierung. Der Zeitspanne in der wir leben. Da wurde mitunter von wandelnden Musiklexika irgendwelcher Scheiß reininterpretiert. Das wollte ich jetzt mal ausschließen.

BR: Wie ist Philiae entstanden?

Julien: Unser ehemaliger Sänger Chris Harms und ich haben die Band 2001 gegründet und wurden sehr schnell durch Alex und John komplettiert. Damals waren wir erst mal zu viert. Für das was wir machen wollten hat das aber sehr schnell nicht gereicht. Wir wollten einfach keine 08/15 Band sein, die wie jede andere Band ihr Set runter spielt, also haben wir Patrick als Videoartist dazu genommen. Durch seine Videoprojektionen haben unsere Shows auch immer einen visuellen Aspekt.

BR: Wie ist der Bandname geboren worden und was bedeutet er?

Julien: Der Bandname ist nicht geboren worden, sondern bei einer Pissparty aus unserem Arsch gekrochen. PHILIAE bedeutet all das was man immer haben wollte aber nie bekommen konnte… Was jeder Begriff beim Rock wohl aussagt.

BR: Kommen wir doch mal zu eurer Musik. Wie würdet ihr sie selbst beschreiben?

Julien: Kann man nicht wirklich. Davon muss man sich selbst ein Bild machen. Kommt zu den Konzerten oder hört euch unser neues Album PROPAGANDA an… UND kommt dann zu den Konzerten.

Guido Maria Kober: Ich glaube es ist nicht an mir, unsere Musik in eine Kartei einzugeben. Jetzt ist sie gerade aus uns heraus, da sollte sie nicht schon wieder in Ketten gelegt werden. Ich will dass sie erst einmal atmet.

BR: Erzählt mir doch mal ein wenig über euer aktuelles Album „Propaganda“. Was wollt ihr mit dem Album nach außen weitergeben? Wollt ihr der Welt da draußen eine bestimmte Message zukommen lassen?

Alex: Ok, ich erzähle Dir ein bisschen über das Album. PROPAGANDA ist kein Intelligenztest. Die Aussage ist simple. In einer Welt voller Informationen, vorrangig bestehend aus Hoffnung und Angst, ist es schwer zu wissen, wer man selbst eigentlich ist. Wir definieren uns durch unsere Endscheidungen und die Taten die diesen folgen. Entscheidungen beruhen aber auf Erfahrungen und Argumenten. Wenn wir nicht mehr zwischen dem unterscheiden können, was wir selbst erlebt haben und dem was uns durch ein Hightech System gefiltert zur Verfügung gestellt wird, wissen wir nicht mehr, wer wir sind.
Dann entscheiden wir vielleicht falsch und unsere Welt ändert sich und mit ihr die aller anderen Lebewesen auch. TÄGLICH wird allein in Deutschland eine 117 Hektar große Fläche neu versiegelt, sprich betoniert, asphaltiert etc. Wer hat das als richtig entschieden?
PROPAGANDA ist daher das Album von 5 jungen Großstädtern die an den Idealen dieser kalten, infotechnoiden Welt zweifeln und ihren Weg nach draußen suchen.

BR: Wie sind die Songs entstanden? Wer ist der musikalische Mastermind bei Philiae?

Alex: Die Songs sind zwischen Proberaum und Heimstudio in 4 Jahren Arbeit entstanden. Teils gemeinschaftlich, teils Einzelkompositionen.

BR: Viele eure Songtexte erscheinen mir doch recht provokativ zu sein. Wollt ihr mit eurer Musik denn provozieren?

Julien: Nein, wir wollen ausdrücken, dass wir uns am Rand unserer Gesellschaft befinden und in ihrer Mitte nicht existieren können.

Guido Maria Kober: Wir sind auf jeden Fall fern ab von diesem ewigen Erheben des moralischen Zeigefingers! Wir wollen unsere Sicht der Dinge, unsere Gefühle bei der Betrachtung verbalisieren. Wer sich davon provoziert fühlt ist auf unseren Shows gerade mal richtig. Die anderen kommen sowieso.

BR: Seit eurem Debütwerk „Scapegod“ hat sich auch innerhalb der Band ein wenig verändert. Ihr habt ja nun mit Guido einen neuen Sänger an Bord. Wie kam es dazu?

Julien: Unser ehemaliger Sänger ist nach der ersten Tour ausgestiegen, also haben wir uns nach Ersatz umsehen müssen. Das ist ja nicht leicht, aber wir hatten Glück. Mit Guido können wir uns musikalisch definitiv wesentlich besser ausdrücken.

Guido Maria Kober: Letztendlich habe ich auf eine Anzeige geantwortet. Da mich mein jahrelanges Studiosoloalbum in die Einsamkeit getrieben hat, musste ich da erst mal raus und PHILIAE kam mit der rechten Geschwindigkeit an mir vorbeigebraust. Nach all dem, was ich im Studio beim ersten Treffen gehört hatte, war meine Entscheidung einfach….

BR: Wie sieht denn die musikalische Zukunft von Philiae aus?

Guido Maria Kober: Sobald ich genügend Geld durch PHILIAE zusammengeschachert habe, möchte ich sofort irgendwen heiraten und in einen Vorort ziehen. Ich möchte ein Flachdach haben.

Julien: Was ist das denn für eine Frage? Wir werden ausverkaufte Stadientourneen spielen, den Rock leben, reich werden und wieder alles verprassen und wenn die Zeit gekommen ist nicht zur Schrotflinte greifen sondern mit 50 in Rente gehen.

BR: Ihr ward ja nun auf Tour mit Jesus On Extasy. Erzählt mir doch mal ein wenig davon. Wie war es?

Alex: Kurz. Wir hatten Spaß mit den Mädels und Jungs, auch wenn die Dates voll mit Stress und Pannen waren. Wir haben 2 Autos, einen Amp und zu viele Gehirn Zellen zerstört. Die Party in Berlin war entsprechend und wir waren erst sehr spät im Bett;) (Anm. d. Red.: Wer hart arbeitet kann auch hart feiern, oder so.)

Guido Maria Kober: Die waren alle sehr entspannt und haben unsere Pannen gut weggesteckt. Alles nette Leute. Spätestens nachdem ich dann auch noch den Mikroständer von Dorian während „The Dawn of a new Error“ komplett zerstört hatte, war das klar.

BR: Was habt ihr auf der Tour schönes und/oder skurriles erlebt?

Alex: Schön war zu sehen, dass die JoE Fans definitiv offen für unsere Musik waren und nicht nur auf die Headliner gewartet haben. Ich hatte den Eindruck dass wir gut angekommen sind und das macht immer froh. Skurril war auf jeden Fall die Tatsache, dass die Dates, wie gerade erwähnt, voll mit Pannen und Pech waren. Wir haben uns zwischendurch regelrecht verflucht gefühlt. Wer weiß wer da noch eine alte Rechnung offen hatte.

BR: Wie fühlt ihr euch denn so kurz vor einem Auftritt?

Alex: Unterschiedlich. Wenn wir, wie auf diesen Konzerten unsere Crew mithaben, ist es nicht so stressig und ich bin dann eigentlich ruhig und versuche mich einfach gehen zu lassen. Es kann auch mal vorkommen dass man so im Stress steckt, dass man gar nicht merkt, dass das Konzert schon angefangen hat. Es hat alles viel mit Motivation zu tun.

BR: Man wird ja eher kaum als Musiker geboren. Mich würde mal interessieren was ihr denn so vor dem Leben als Musiker gemacht habt. Erzählt mir da mal ein wenig.

Julien: Ein Leben vor dem Musiker… Mh das gibt es für uns gar nicht. Wir haben alle angefangen Musik zu machen, als wir noch in der Schule waren und als die dann zu Ende war, wäre etwas anders gar nicht mehr vorstellbar gewesen.

Alex: Ich war freischaffender Apotheker.;) An alles davor kann ich mich wirklich nicht erinnern. Ich muss wohl unglücklich gewesen sein.

Guido Maria Kober: Natürlich wird man als Musiker/Künstler geboren(!) Seltsam diese Annahme. Vielleicht definiert das jeder etwas anders? In mir brennt seit ich denken kann ein Feuer und schreit und lechzt nach Sauerstoff! Das war schon im KIGA so. Wenn ich diese Flamme nicht nach außen kehre verbrenne ich an ihr! Da stecke ich lieber alles um mich herum in den Brand. Musik ist da nur eine Ausdrucksform von vielen. Die Frage ist eher „hast du den Leuten da draußen was zu sagen?“ Ich meine Ja!

BR: Wie würdet ihr euch eigentlich selbst als Personen beschreiben?

Alex: Getrieben.

Guido Maria Kober: Ich bin eher so der 0-8-15 Typ aber eigentlich ganz nett, wenn man mich lassen tut.

BR: Wie wichtig ist euch Privatsphäre?

Guido Maria Kober: Ich persönlich meide ohnehin weitestgehend Menschenansammlungen jedweder Art. Ich halte sie nicht aus! Die Dummheit der breiten Masse kotzt mich an und sie ist eben nicht zu unterschätzen. Dementsprechend würde ich meine Privatsphäre als unbedingt zu respektieren einstufen. Mit anderen Worten: Ich entscheide wer da reinkommt und wer draußen bleibt.

Alex: Du musst uns wahrscheinlich eher fragen wie wichtig uns Ruhm ist. Nur so wichtig wie er nötig ist um unsere Ziele zu erreichen. Er ist nicht meine Antriebsfeder. Entsprechend wichtig wäre mir Privatsphäre.

BR: Was war eigentlich das Verrückteste was ihr bisher in eurem Leben gemacht habt?

Alex: Alle meine Freunde für einen Haufen Koks in der Hand zu verlieren.

Guido Maria Kober: Meine Augen zu schließen.

BR: Zum Abschluss unseres Interviews habe ich noch ein paar Begriffe. Nennt mir doch einfach das, was euch so spontan dazu einfällt.

- Romantik

Alex: Geschenkpapier.

Guido Maria Kober: Mit erigiertem Glied ins Bett gelegt und ein Kerzchen angezündet. Ganz alleine! Hab ich auch schon mal gemacht…

- Perfektes Dinner

Alex: Pizza nach dem Sex;)

John: 100% VEGAN

Guido Maria Kober: Immer. Und Essen ist eine gute Erfindung.

- Pipi Langstrumpf

Alex: Ihr Vater war Zuhälter und Dealer. Klar, dass man da durchdreht.

Guido Maria Kober: Hey! Jetzt zerstöre mal nicht mein Jugendidol, ja?

- Radio

Guido Maria Kober: Verdammt gute Erfindung, wie vieles von uns Menschen. Leider zum größten Teil in den Falschen Händen, wie vieles bei uns Menschen.

Alex: Im Radio läuft zu 90% der Konsens zur Verblödung. Lobbyismus, GEMA Mafia und ein paar Guerilla wie ihr;) (Anm. d. Red.: Danke für die Rosen.)

- Musik

Alex: Was sonst?

Guido Maria Kober: Mein Schrank ist voll davon.

BR: So, damit wäre unsere Fragestunde dann beendet. Ich möchte mich dafür bedanken, dass Ihr euch für Bizarre Radio die Zeit genommen habt. Habt ihr zum Abschluss noch ein Statement für eure Fans bzw. die Leute da draußen?

Alex: Ihr seid nicht euer Geschmack und auch nicht eure Hoffnungen. Ihr könnt zumindest wählen was ihr nicht schluckt. Tut es, die Zeit läuft ab. Falls ihr keine besseren Aufgaben habt, sind PHILIAE froh den Soundtrack zu diesem Schauspiel zu liefern. Über www.philiae.com oder myspace.com/philiae seid ihr dabei.

Patrick: Und trinkt regelmäßig eine Tasse Salbeitee. Das schmeckt nicht nur gut, sondern ist auch gut für den Hals.

Kitty N.10.10.2007

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