Interview

Bloodpit

Von Bildern aus Marshmallows und dem langweiligen Musikerleben…

Vor dem Konzert am 09.11.2006 in Oelde traf ich Bloodpit – Sänger Matthau Mikojan zum Interview. Und auch er bewies mir, dass ein Interview mit finnischen Musikern immer wieder eine angenehme und lustige Erfahrung ist. Nachdem er sich und mich mit Kaffee versorgt hatte, und mir noch schnell von seinen bisherigen Eindrücken von Deutschland und der Reeperbahn erzählt hat, konnte ich mit meinen Fragen beginnen und bekam die eine oder andere nicht ganz ernst gemeinte Antwort. Aber lest selbst:

AH: Wie Du weißt, kennen euch eine Menge Fans finnischer Rockmusik hier in Deutschland bereits sehr gut. Aber der Großteil noch nicht. Würdest Du mir eine kurze Einführung geben, wer bei euch was macht, damit die Leser eine Ahnung davon bekommen, wer Bloodpit eigentlich sind?
MM: Alarik Valamo ist der Drummer und Aleksi Keränen ist unser Bassist. Paavo Pekkonen ist ein Gründungsmitglied; er ist Gitarrist, und ich bin der Sänger, Matthau Mikojan, ein weiteres Gründungsmitglied von Bloodpit.

AH: Du und Paavo, ihr spielt bereits seit 1994 zusammen, richtig?
MM: Alarik und Aleksi sind 2002 zur Band gekommen, aber Paavo und ich sind zusammen – nicht sexuell – seit 1994. Eines Tages hatte er einen Traum, in dem er träumte, dass er eine Band gründen sollte (Anmerkung des Verfassers: Matthau sagte einen Namen, von wem Paavo geträumt hatte. Leider konnte ich aus den Aufzeichnungen – die Vorband hatte gerade Soundcheck – nicht 100%ig heraushören, ob dieser Traum nun von John Lennon oder Jay Leno handelte). Aber er konnte sich am nächsten Morgen nicht mehr an den Namen der Band erinnern. Also mussten wir einen Namen finden, der dem, den er geträumt hatte, nahe kam. Bloodpit. Wir gaben unser erstes Konzert 1999 in Tampere, Finnland. Und nun haben wir in Finnland, Russland, USA, jetzt Deutschland und danach folgt Italien, getourt. Hunderte Gigs und ein Album veröffentlicht und immer noch am Leben.

AH: Es ist etwas komisch für mich, diese Fragen zu stellen, denn ich weiß das Meiste schon, da ich eure Musik auch höre und euch bereits live gesehen habe.
MM: (lacht) Ja, ich weiß. (ruft laut) Aber das ist für euch Leute! Ihr wisst noch nichts über uns (lacht wieder)

AH: Mit „Platitude“ habt ihr es in die europäischen Single – Charts geschafft…
MM: (unterbricht mich) Oh, haben wir das?

AH: Ja, habt ihr. Auf Platz 61, ohne etwas außerhalb von Finnland veröffentlicht zu haben.
MM: Oh…

AH: Wußtest Du das nicht?
MM: Nein.

AH: Das war 2005, glaube ich. Auf jeden Fall ward ihr in den Charts ohne etwas außerhalb Finnlands veröffentlicht zu haben; und ich denke, dass es durch das Internet dazu gekommen ist.
MM: Ja, ich glaube auch, das es so war, denn viele Leute kennen uns, weil sie im Internet gesurft haben.

AH: Ja, oder dadurch, dass sie andere Bands aus Finnland hören. Christus (Matthaus Bruder ) ist bei Negative, und viele kommen dadurch automatisch zu Bloodpit. Ich bin so 2004 auch zu eurer Musik gekommen.
MM: Ja, ja, viele Leute kommen so auch zu unserer Musik.

AH: „Mental Circus“ (Album, bei uns erhältlich seit dem 03.11.2006) ist jetzt auch in Deutschland, Österreich, der Schweiz und Italien erhältlich (bejaht). Sag mir doch bitte, warum „Mental Circus“ nicht im CD – Regal fehlen sollte?
MM: (überlegt) Hmh, ich denke, es sollte fehlen. Es ist ein schlechtes Album. Ich hätte es niemals gemacht, wenn ich geistig gesund gewesen wäre. Ich meine, wenn ich damals vernünftig gewesen wäre, hätte ich es niemals gemacht. Aber nun, wo es da ist, und in den Läden in verschiedenen Teilen der Welt steht… Ich weiß nicht. Vielleicht, wenn man es sich anhört, es mag und sich kauft, dann ist es großartig….Nein, ich ziehe Dich gerade etwas auf (fängt an zu grinsen).

AH: Ich mag es, und ich denke es ist gut.
MM: Ja, ich auch. Als wir damals ins Studio gingen, wussten wir ganz genau, was wir tun wollten, und wir wussten ganz genau, wie es sich anhören sollte. Und als es fertig war, waren wir mit dem Ergebnis sehr zufrieden. Und ich glaube, das es ein großartiges Rock and Roll Album ist.

AH: Ja, das finde ich auch. Ich mag auch die Art und Weise, wie Du Deine Texte schreibst. Du benutzt nicht die gängigen Wörter, sondern hast auch mal unbekanntere Wörter dabei; und Deine Texte regen sehr zum Nachdenken an. Es unterscheidet sich von dem, was man sonst so hört.
MM: Oh, danke. Ja, da sind eine Menge Songs auf „Mental Circus“, die vor vielen Jahren geschrieben wurden. Manchmal, wenn ich diese Songs dann singe, dann erscheinen sie mir merkwürdig – in textlicher Hinsicht - , denn ich kann mich nicht daran erinnern, was zu der Zeit, als ich sie geschrieben hatte in meinem Kopf vor sich ging. Und ich habe zu der Zeit eine Menge Drogen genommen. Da waren eine Menge seltsamer und weniger schöner Sachen in meinem Leben…

AH: Ja, ich weiß, aber Du hast ja mit den Drogen und dem Trinken aufgehört.
MM: Ja, ich trinke keinen Alkohol, ich nehme keine Drogen mehr. Gar nichts mehr… (hier unterhalten wir uns dann kurz privat über ein Thema)

AH: Ihr kommt aus Finnland und natürlich werdet ihr automatisch mit bekannten Bands wie HIM oder The Rasmus verglichen werden. Um diesem vorzubeugen, sag mir doch bitte, wie Du eure Musik und die Richtung, in die sie geht, beschreiben würdest. Und wo der Unterschied zu den anderen Bands ist?
MM: Ich weiß nicht. Du solltest mir sagen, wo der Unterschied ist. Ich denke, dass wir etwas erschaffen haben, was Du neben dem Hören auch fühlen kannst. Aber wenn Du mich fragst, inwiefern es sich von anderen Gruppen aus Finnland unterscheidet, weiß ich das wirklich nicht so genau; denn für mich sieht es so aus, dass jeder außerhalb Finnlands denkt, wir sind alle gleich. Also…

AH: Nein, definitiv nicht. Wer sich etwas in der finnischen Szene auskennt, der hört die Unterschiede ganz deutlich. Ich würde euch nie mit HIM oder The Rasmus vergleichen. Man hört zwar, dass ihr aus Finnland seid, aber ihr habt euren eigenen Stil.
MM: Wir haben niemals HIM oder The Rasmus gehört. Oder… Ich mag Negative. Aber unsere Einflüsse liegen in den 80igern und frühen 90igern. Bei Grunge und Metal und diese Art von Musik. So… Vielleicht ist es… Ich würde es vielleicht bezeichnen als… Ich weiß nicht. Rock and Roll, ich weiß nicht so genau…

AH: Ich würde es als eine Art männlichen Rock and Roll beschreiben. Etwas derber und härter, aber ziemlich klar strukturiert und ohne viel Schnörkel gehalten.
MM: Ja, ja, eine Menge Testosteron.

AH: Ja, etwas rauer.
MM: Ja, und ich denke auch, dass Rockmusik eigentlich für Erwachsene war; denn heutzutage sind da zwölfjährige Mädchen vor uns, schreien Absurditäten und solche Sachen wie: „Ich liebe Dich!“ Und manchmal weiß ich dann nicht, warum ich das hier mache.

AH: Welche Künstler und Bands haben Dich beeinflusst?
MM: Wir hören alle unterschiedliche Bands. Ich hab mir immer Guns ´n´Roses, Lynyrd Skynyrd, The Doors, Frank Sinatra, Elvis Presley, Madonna, solche Sachen halt, angehört. Und Paavo war immer schon für Heavy Metal. Er war schon immer für die harten Riffs und diese Dinge.

AH: Ich denke, daher kommt dann diese Rauheit in eurer Musik.
MM: Ja, und ich bin eher für die Melodien. Ich bevorzuge einfache Songs, für die Du eine gute Melodie schreiben kannst.

AH: Es ist das erste Mal, dass ihr hier in Deutschland Konzerte gebt. Mit welchen Erwartungen seid ihr hierher gekommen? Habt ihr gewusst, dass die Leute euch zum Teil bereits kennen?
MM: Wir wussten nicht, was wir erwarten sollten. Dasselbe war, als wir zum ersten Mal in Moskau waren. Wir wussten nicht, was wir erwarten sollten. Und als wir dann auf die Bühne waren, war es voll und jeder sang zu den Songs mit. Und dasselbe passierte, als wir hier unser erstes Konzert gespielt haben. Es war in Angermünde. Ein sehr kleiner Ort, aber es war brechend voll, und eine Menge Kerle waren da, die mit ihren Fäusten gewunken und unsere Songs mitgesungen haben. Heilige Scheiße! Natürlich wissen wir, dass wir bereits eine Menge Fans in Deutschland haben.

AH: Du hast mir ja erzählt, dass ihr bereits in Finnland, Russland, USA und jetzt Deutschland und Italien gespielt habt, bzw. spielt. Kannst Du mir sagen, ob es einen Unterschied in den Reaktionen des Publikums gibt?
MM: Nein, denn jedes Mal, wenn ich auf der Bühne bin, kann ich mich nicht auf das Publikum konzentrieren; dann irgendwie geht es bei mir dann darum, was ich mache. Ich denke nicht, dass es wirklich wichtig ist, wo Du spielst, denn wenn wir auf der Bühne sind, ist es jedes Mal dasselbe. Natürlich sind die Shows unterschiedlich, aber…

AH: Also konzentrierst Du Dich nicht auf das Publikum und siehst nicht, was dort abgeht?
MM: Ich glaube nicht, dass ich realisiere, was passiert. Ich meine, jemand… Wenn da ein Kampf oder so wäre, bin ich mir nicht sicher, ob ich das mitbekommen würde, weil…Ich bin irgendwo anders – geistig…Was ich versuche zu sagen ist, dass es egal ist, wo Du spielst, in welchem Land oder Stadt. Es ist immer dasselbe. Die Größe des Schauplatzes ist der Unterschied.

AH: Was ist Dein erster Eindruck von Deutschland. Ihr hattet einige Tage zwischen den Gigs frei. Wie habt ihr sie verbracht? Habt ihr euch etwas angesehen, oder was typisch Deutsches wie Sauerkraut essen oder Bier trinken getan?
MM: Ich war einkaufen. Ich habe eine Menge Klamotten, Schmuck, Accessoires und so was gekauft. Alles. Ich liebe es, einzukaufen, und wir haben die Finnische Botschaft in Berlin besucht. Und die anderen waren in Bars. Und unser Gitarrist schlief in einem dieser großen Parks ein…

AH: In Berlin?
MM: Ja.

AH: Man, das sollte er besser nicht tun. Das kann ganz schön gefährlich werden.
MM: Ja, aber wir haben ihn glücklicherweise gefunden. Er saß da mit einem ziemlichen Kater…Ich mag Deutschland wirklich gerne.

AH: Ja, es hat seine netten Seiten, aber mit November habt ihr euch einen der weniger schönen Monate ausgesucht, um zu kommen.
MM: Ach, das ist egal, wir sind ja im Bus. Da geht das dann schon.

AH: Die Veröffentlichung eures Albums wurde zweimal nach hinten verschoben. Was waren die Gründe dafür? Ich verstehe nicht ganz, warum es da Schwierigkeiten gab, denn das Album gibt es ja bereits seit 2005?
MM: Ja. Um ehrlich zu sein, ich habe keine Ahnung. Ich weiß es nicht.

AH: Um unseren Lesern einen kleinen Einblick zu verschaffen, was sie auf „Mental Circus“ erwartet, kannst Du mir sagen, was die Songs beinhalten?
MM: Ja, die Songs ähm… Ich denke, es ist eine Art Compilation – CD. Die Songs sind alle zwischen 1999 und 2005 geschrieben worden. Es ist wie ein Best Of Album. Wir hatten ungefähr 40 Songs, gingen ins Studio und haben so viele Songs wieder rausgeworfen. Dieses sind die besten Songs, die wir für das Album ausgesucht haben. Ich denke, es ist ein Best Of, und was kann ich noch sagen? Die Songs wurden während einer langen Zeitperiode geschrieben. „Autumn“ z.B. wurde 1999 geschrieben und „Bad – Ass Blues“ in 2003. Nun, wo wir am Nachfolgealbum arbeiten, wird es mehr wie von einer Seite, einer Zeit sein.

AH: Eine andere Frage, die ich zum neuen Album habe, ist die, ob ihr etwas anderes , neues ausprobieren werdet? Z.B. neue instrumentale oder musikalische Arrangements oder so etwas in der Art?
MM: Ich denke, wir werden an denselben Scheiß festhalten.

AH: Ok, ich weiß, dass Du für das Schreiben verantwortlich bist. Woher bekommst Du Deine Inspiration?
MM: Das Leben selbst ist eine großartige Inspiration. Da waren eine Menge Dinge, die in meinem Leben passiert sind. Die innerhalb eines Jahres passiert sind. Ich habe mich von meiner Ex – Freundin nach sieben Jahren getrennt und ich habe mit dem Trinken und den Drogen aufgehört. Da ist eine Menge Scheiße gewesen, und wir hätten uns beinahe getrennt. Nun ist es mehr wie…Die Songs sind darüber, eine Band zu sein und zusammen zu sein. Und die Gefühle innerhalb der Band. Was in meinem persönlichen Leben passiert. So ist das Leben selbst eine tolle Inspiration.

AH: Ist es so, dass Du Dir sagst: „Jetzt setze ich mich hin und schreibe etwas.“ Oder ist es so, dass es einfach situationsbedingt passiert?
MM: Eigentlich schreibe ich überall, wo es möglich ist. Manchmal schreibe ich etwas in mein Handy, manchmal – ich habe ein Notebook. Ich schreibe jederzeit. Und ich schreibe Tagebuch. Ich habe seit meinem zehntem Lebensjahr Tagebuch geschrieben. Sehr interessant! (brüllt es in meinen mp3 – Player, da der Soundcheck wieder ohrenbetäubend wird)

AH: Ich weiß, dass Du auf eurer Homepage ein Tourtagebuch schreibst.
MM: Manchmal, ja

AH: Dann solltest Du auch wieder eines über eure Deutschlandtour schreiben.
MM: Oh ja, das werde ich. Das will ich.

AH: Wenn Du schreibst… Du hast mir erzählt, dass das Album während einer nicht so tollen Zeit in Deinem Leben entstanden ist. Wenn Du also etwas schreibst, denkst Du Dir dann am nächsten Tag, wenn Du das Geschriebene vor Dir siehst: „ Oh mein Gott! Was ist das!“
MM: Manchmal, ja. Weil…Wenn Du die Texte schreibst, dann hast Du eine klare Vision von dem, was Du tun willst. Und wenn Du dann – lass uns sagen, nach einem Jahr – wieder auf die Texte schaust…Manchmal kann ich dann nix mehr aus ihnen machen. Aber ich denke, dass ist nicht so wichtig. Solange, wie es Texte zu den Songs gibt, ja…

AH: Du singst in Englisch. Könntest Du Dir vorstellen, etwas in Finnisch zu schreiben oder singen?
MM: Ich denke nicht, dass ich Texte in Finnisch schreiben könnte. Es ist sehr viel schwieriger. Mit all den vielen Konsonanten und …Es würde viel schwieriger sein. (unterhalten uns noch kurz über unterschiedliche Wortstämme der englischen und finnischen Sprache)

AH: Magst Du es, live zu spielen? Und was ist bei einer Live – Show wichtig für Dich? Die Atmosphäre, Dein Outfit,…?
MM: Ich denke, es geht darum, den Leuten etwas für ihr Geld zu geben. Denn Konzertkarten sind dieser Tage ziemlich teuer.

AH: In Finnland sind sie billig. Hier sind sie teurer.
MM: Sind sie das dort?

AH: In Finnland?
MM: Ja

AH: Ja, man zahlt bei euch oft nur 10 – 15 Euro. Hier meistens mindestens 20 Euro oder mehr.
MM: Oh…Ich denke, man kann sich die Platte immer wieder anhören, wenn man die Musik möchte. Aber wenn man dann zu einer Live – Show geht, dann sollte es so sein, dass man etwas anderes zusätzlich geboten bekommt. Etwas, das visuell aufregend ist. Und was wir versuchen, ist eine Show zu kreieren.

AH: Also plant ihr eure Shows richtig?
MM: Ja, aber wir haben hier jetzt keine Pyrotechnik oder spezielle Lichter für Lichtshows für diese Tour. Also wird es eine rohe Rock and Roll Show sein.

AH: Ich denke, zur Einführung in Deutschland reicht das auch.
MM: Ja, es ist unsere erste Tour hier. Und um ehrlich zu sein, haben wir auch nicht das Geld, um das jetzt alles zu machen.

AH: Wie wichtig ist es für Dich, die Fans wissen zu lassen, was ihr so macht? Ich weiß, dass Du das Tourtagebuch schreibst.
MM: (wir brüllen uns wieder lachend an, da der Soundcheck netterweise in diesem Moment wieder einsetzt) Ja, die Leute sind wirklich sehr interessiert daran, was wir tun, wenn wir auf Tour sind oder nicht auf Tour sind. Im Allgemeinen sind sie sehr interessiert und wissen eine Menge über unser Leben. Ich denke, es gibt mir eine Art Befriedigung, ihnen etwas zu geben, von dem sie einen Einblick davon bekommen, was in unseren Leben passiert. So denke ich also, dass das sehr wichtig ist, denn ich bin ein großer Fan von mir selbst und ich liebe es, Sachen über berühmte Personen und Leute zu lesen, die mich interessieren.

AH: Also diese ganzen Gossip – Geschichten?
MM: (grinst) Ja, ja, genau so etwas. Ich bin bei solchen Sachen dabei und weiß da Bescheid. (es wird immer lauter und er brüllt) Kannst Du überhaupt noch verstehen, was ich sage? (beim Bearbeiten dieses Interviews hat es mir – ehrlich gesagt – das eine oder andere Mal die Ohren weggepustet. Mal von Matthau und mal vom Soundcheck)

AH: Ja, kann ich. Wird beim Bearbeiten lustig werden. Aber sag mir mal, was für eine Bedeutung Bloodpit für Dich persönlich hat?
MM: Job!

AH: Kurze und knappe Antwort. Beschreib mir einen normalen Tagesablauf im Leben von Bloodpit, Auf Tour und wenn ihr nicht auf Tour seid.
MM: (bei dem diabolischen Grinsen, was er jetzt an den Tag legt, hätte ich wissen müssen, was kommt) Auf Tour: Wir wachen gegen 14 Uhr oder 23 Uhr auf, kommt ganz darauf an. Dann frühstücken wir, trinken Kaffee. Dann besteigen wir den Bus und fahren für cirka sechs Stunden zum Schauplatz. Wir machen den Soundcheck und essen. Wir geben Interviews und treffen hübsche Mädchen wie Dich. Und wir rauchen zuviel, trinken zuviel Kaffee. Wir sind müde. Wir sind angepisst, weil wir weit weg von Zuhause sind (das Grinsen wird immer breiter, meines auch). Das einzige, das wir wollen, ist nach Hause zu kommen. Wir sind wirklich sauer auf unser Management, weil sie diese Tour arrangiert haben (liegen mittlerweile fast vor Lachen unter dem Tisch). Und dann (senkt die Stimme wie ein Geschichtenerzähler)…Wenn der Abend kommt, spielen wir die Show und treffen einige versaute Leute, die mit uns versaute Dinge tun wollen – ich rede immer noch nicht über etwas Sexuelles . Dann gehen wir ins Hotel zurück, stecken einen Nagel in unseren Kopf und schlafen ein. Und…(Grinsen wird noch breiter) Wenn wir nicht touren…da gibt es nichts anderes im Leben als zu touren…Mein Leben ist absolut traurig. Ich gehe nicht in Bars, weil ich nicht trinke. Ich sitze nur Zuhause rum und starre an die Decke. Ich habe nichts zu tun (Einwurf von mir: außer im Internet zu surfen) Ja, ja, genau (hier können wir uns kaum noch vor Lachen halten, und ich gehe lieber zur nächsten Frage über).

AH: Seit wann machst Du Musik? Wer oder was hat Dich zur Musik gebracht, und wann hattest Du Deinen ersten Kontakt zu Musik?
MM: Ich hab mit dem Gitarrespielen angefangen, als ich zehn Jahre alt war. Aber mit dem Singen habe ich sehr viel früher angefangen, als ich so drei, vier oder fünf war. Ich kann mich daran erinnern, dass ich als kleines Kind durch die LP – Sammlung meines Vaters gegangen bin – er war ein Rockstar in Finnland (sein Vater ist bereits verstorben und spielte in der Band Popeda, die es auch heute noch gibt). Ich fand dort all diese großartigen Platten von den Beatles, den Rolling Stones, Lynyrd Skynyrd, und all diese Bands. Es begann alles sehr früh. Und ich war in mehreren Bands vor Bloodpit. Und ich kann mich daran erinnern, dass ich, als ich ungefähr zehn war, live für meine Mutter in unserem Wohnzimmer performte. Da liefen dann die Guns´n´Roses – Videos im Hintergrund, und ich sprang auf die Tische und trug die Klamotten meiner Mutter. Und ich war sehr lustig und dumm (lächelt bei diesen Erinnerungen vor sich hin).

AH: (muß auch bei der Beschreibung lächeln) Oh, ich denke lustig bist Du heute noch. Ich mag es, wenn Menschen so einen gewissen Humor haben. Das macht das Leben sehr viel angenehmer.
MM: Ja, da ist wahr.

AH: Du hast mir ja gesagt, dass Du in mehreren Bands warst, und auch bei Bloodpit hattet ihr mehrere Wechsel bis zum heutigen Line – Up. Hast Du noch Kontakt zu ehemaligen Bandmitgliedern?
MM: (Bevor nachher Spekulationen bei Bloodpit – Insidern losgehen: er erwähnt Christus nicht, aber das heißt nicht, dass er keinen Kontakt zu ihm hat). Zu einigen von ihnen ja. Ich bin sehr gut befreundet mit Paspartou Hagen (ehemals Bassist bei Bloodpit). Er ist einer meiner besten Freunde. Unser ehemaliger Drummer (Arnold T. Kumputie); er lebt jetzt in Helsinki, aber ich weiß nicht, was er im Moment tut. Ich habe seit längerer Zeit nichts von ihm gehört.

AH: Lass uns mal auf eure Videos zu sprechen kommen. Sie sind auf eine Art und Weise merkwürdig, doch gleichzeitig lustig. Das Storyboard zu „Bad – Ass Blues“ basiert auf dem deutschen Märchen „Hänsel und Gretel“ (bejaht). Ihr spielt alle Rollen – auch die weiblichen – selbst. Das ist definitiv anders als das, was man sonst zu sehen bekommt. Wer hatte die Idee dazu, es so zu machen?
MM: Als wir damals anfingen, das erste Video für „Platitude“ zu drehen; da war es, als wir beschlossen, das Schauspielern selbst zu übernehmen. Denn das ist faszinierender, wenn es dann schließlich zu den Fans kommt. Und wir beschlossen, als wir das zweite Video drehten, dass wir das spielen definitiv wieder selbst übernehmen wollten. Wir wollten etwas anderes, ungewöhnliches machen als normale Szenen und solche Sachen. Etwas faszinierendes und lustiges. Und ich denke, wir waren erfolgreich.

AH: Ja, das stimmt. Es macht Spaß, solche Videos zu sehen, da sie nicht so gewöhnlich und kommerziell sind. Ich denke, das Video wird hier nicht gespielt werden, aber werdet ihr noch eine Single veröffentlichen? Das Album kam zeitgleich mit dem Tourbeginn raus. Also war da im Prinzip keine Zeit, dass neue Leute euch kennenlernen konnten (bejaht).
MM: Eine Single hier in Deutschland?

AH: Ja.
MM: Ich denke nicht. Zumindest jetzt nicht. Aber wenn wir in Finnland eine Single vom neuen Album veröffentlichen, dann denke ich, dass da eine Chance sein wird, sie auch hier in Deutschland zu veröffentlichen.

AH: Wisst ihr schon, wann das neue Album fertig sein wird?
MM: Im Frühjahr 2007. Aber es wird hier in Deutschland wahrscheinlich im Herbst rauskommen.

AH: Hmh, das wäre aber dumm. Die deutschen Fans werden dann wieder über das Internet oder in Finnland das Album kaufen. Sie warten doch nicht bis Herbst. Ihr solltet es echt zeitgleich veröffentlichen, sonst gehen euch hier die Verkaufszahlen flöten.
MM: Ja, ja, das stimmt natürlich.

AH: Hast Du außer der Musik noch andere Hobbys?
MM: Nein (Soundcheck geht wieder in ohrenbetäubender Lautstärke los, und der arme Matthau darf schon wieder dagegen anbrüllen) Nein! Ich bin eine ziemlich trübselige Person. Ich mache nichts aufregendes. Mein regulärer Tag ist: Ich esse, ich scheiße und ich wichse (bei den letzten drei Tätigkeiten stoppt dann der Soundcheck, aber Matthau brüllt weiter. Resultat: Lachsalve von uns und einigen anderen Personen, die es mitbekommen haben) …Das ist alles, was ich mache. Ich habe keine Hobbys oder Jobs.

AH: Was war das Verrückteste, dass Dir auf der Bühne passiert ist, oder was Du auf der Bühne getan hast? Und was war das Verrückteste oder Schönste, was ein Fan Dir gegeben oder getan hat?
MM: (überlegt) Nun, da gibt es ein paar Begebenheiten, die nicht so glücklich waren. Letztes Jahr, als wir auf einem der Sommerfestivals in Finnland gespielt haben, da zerschlug ich meine Gitarre in Stücke und warf das, was von ihr übrig blieb ins Publikum. Und zwei…Du kennst die Geschichte? (Ich nicke). Ok, dann schreibe sie später auf, und ich erzähl noch eine andere. (Matthau bekam nicht mit, dass zwei Mädchen von der Gitarre am Kopf getroffen wurden und anschließend zur Erste Hilfe Station gebracht werden mussten. Matthau wurde von der Security darüber informiert, machte sich Sorgen und ging mit dem Booking Agent zur Erste Hilfe Station, um zu sehen wie es den Mädchen ging und sich zu entschuldigen. Die waren jedoch schon wieder weg; aber, wie man ihm sagte, froh, die Gitarre zu haben) Da waren zwei Typen, die offensichtlich sehr betrunken waren, und sie schmissen irgendwann Gegenstände nach uns. Ich wurde wirklich sehr wütend, legte meine Gitarre ab, sprang ins Publikum und - nun ja- habe zugeschlagen.

AH: Während des Gigs?
MM: Ja. Die Show wurde abgebrochen. Dann kam die Polizei und alles. Der Typ wollte mich anzeigen, und ich durfte dann am Ende mehrere hundert Euro für seine zerrissene Kleidung und einige Schäden bezahlen. Die Polizisten waren auf meiner Seite, denn ich habe ihnen erklärt, worum es ging, und sie haben es verstanden. Wenn Du Straßenarbeiter draußen siehst, oder jemanden arbeiten siehst, dann gehst Du ja auch nicht hin und schmeißt Steine auf sie, denn Du weißt ja, dass sie ihren Job tun. Und weil der Securitytyp nichts getan hat, habe ich das halt gemacht.

AH: Ja, das wundert mich, dass der die nicht vorher da entfernt hat.
MM: Wenn er es nicht macht, muss ich halt selbst dafür sorgen, dass ich auf mich aufpasse. Aber ich finde, dass die Security für die Band da ist, und er hätte vorher was unternehmen müssen (bestätige ihm, dass ich das genauso sehe)

AH: und was war das Verrückteste oder Schönste, was Du von einem Fan bekommen hast?
MM: (überlegt kurz) Eigentlich gestern. Ich erhielt ein Geschenk. Eine Halskette, und mein Vater war darauf. Es ist wirklich schön. Es ist eine silberne kleine Platte. Es ist wirklich schön.

AH: Und der Kopf Deines Vaters ist als Relief darauf?
MM: Ja, ja, es bedeutet mir etwas, denn mein Vater ist seit 20 Jahren tot. Wirklich großartig.

AH: Er starb während eines Soundchecks, glaube ich.
MM: Ja, ja (unterhalten uns noch kurz über Popeda, die Band in der sein Vater war)

AH: Stell Dir vor, Bloodpit wäre ein Gemälde. Welche Farbe und welchen Stil hätte es?
MM: Durchsichtig!

AH: Durchsichtig?
MM: Ja, und mit grünen Punkten. Ich mag grün. Und mit silbernen Umrandungen und so was. Mit Bäumen aus LSD und auch einige Marshmallows.

AH: Marshmallows!? Jetzt willst Du mich schon wieder auf den Arm nehmen…
MM: Nein, nein, will ich nicht (grinst) Du hast mir die Frage gestellt und ich will sie Dir beantworten.

AH: Na gut. Interessante Beschreibung für ein Gemälde.
MM: Ja, außergewöhnlich

AH: Weihnachten steht vor der Tür. Wie feierst Du es? Was bedeutet es Dir? Siehst Du es eher traditionell oder kommerziell?
MM: Es bedeutet, dass ich eine Menge Postkarten verschicken muss; was blöd ist. Ich muss eine Menge essen, so dass ich nächsten Sommer nicht an den Strand kann; und ich werde fett…Nein, es ist eine Familientradition, und wir feiern es zusammen mit unserer Familie. Wir gehen das Grab meines Vaters besuchen, und es sind wundervolle Ferien.

AH: Das Grab in „February Day´s Draught? Singst Du da von dem Grab Deines Vaters?
MM: Ja, das ist das Grab meines Vaters.

AH: Also siehst Du Weihnachten sehr traditionell.
MM: Ja, auf jeden Fall.

AH: Jemand erfüllt Dir drei Wünsche. Was würdest Du Dir wünschen?
MM: Gesund bleiben. Geistig gesund sein. Und ein besseres Leben für meine Mutter. Das sind meine drei Wünsche.

AH: Kannst Du mir eine gute und eine schlechte Angewohnheit von Dir nennen?
MM: Schlechte Angewohnheit (überlegt lange)

AH: Hast Du keine?
MM: Hmh, ich denke nicht. Gute Angewohnheit. Lass uns damit anfangen. Ich bin sehr freundlich, liebenswert. Und ich bin moralisch sehr gefestigt. Ich respektiere Leute um mich herum, die mir etwas bedeuten. Und die schlechten Angewohnheiten sind das viele Rauchen und Kaffeetrinken. Ich meine, ich war ein Alkoholiker, und ich habe eine Menge schlimmer Dinge getan. Aber ich bin durch das alles durchgegangen und habe es hinter mir gelassen…

AH: Also meintest Du Deine Entschuldigung auf dem CD – Cover auch ernst?
MM: Ja, ja. Die Entschuldigung war für meine Ex – Freundin, um ehrlich zu sein. Ich war ein Riesenarschloch für etwa drei Jahre…

AH: Nenn mir den peinlichsten Gegenstand, den Du besitzt?
MM: Den ich besitze? Ich bin stolz auf alles, was ich besitze. Aber lass mich mal nachdenken. Da könnte es etwas geben. (denkt kurz nach) Vielleicht dieser Batman – Anzug.

AH: Du hast so etwas (fange an zu lachen)
MM: (muss auch lachen) Ja, ja. Das ist das Peinliche.

AH: Mein Ex – Freund hatte so einen Superman – Anzug
MM: Oh ja, den muss ich treffen. Wir müssen Freunde werden (lachen beide bei der Vorstellung, wie Superman und Batman aussehen würden).

AH: Besser nicht! Was ist das persönliche Highlight Deine Musiksammlung? Und was hörst Du im Moment am liebsten?
MM: Chris Isaac, Elvis Presley, The Doors, Frank Sinatra und die Rolling Stones. Das sind meine Lieblingsbands im Moment. Und ich muss sagen, dass ich die Band meines Vaters – Popeda – liebe. Sie machen immer noch Musik. Sie machen das nun seit 25 Jahren. Wir haben einige Konzerte mit ihnen gespielt.

AH: Das ist lange. Die letzten Worte sollen Dir gehören. Gibt es etwas, das Du allgemein sagen möchtest? Etwas, was Dir unter den Nägeln brennt.
MM: Ok! (beugt sich ganz dicht über das Aufnahmegerät, obwohl es mittlerweile leise ist). Ich bin nicht so jämmerlich, wie ich erscheinen mag. Und ich bin eine viel interessantere Person, als es erscheinen mag. Und es ist besser, für das, was Du bist gehasst zu werden; als für das, was Du nicht bist, geliebt zu werden.

AH: Schöne Worte zum Schluss. Vielen Dank für das Interview und ich wünsche euch eine gute Show heute Abend.
MM: Danke! Es war schön, mit Dir zu reden.

Matthau ist ein sehr humorvoller und intelligenter Gesprächspartner. Wir haben uns nach dem Interview noch eine Weile privat unterhalten, und er ist sowohl als Musiker, als auch im privaten Gespräch eine sehr interessante Persönlichkeit. Bei der Show später haben Bloodpit gut gerockt, wenn auch leider nur wenig los war. Aber ich hatte bis dato noch nie von dieser Location gehört, und so wird es wohl einigen ergangen sein.

Alexandra Holler18.11.2006

LINKS

Weitere Cd-Besprechungen und Stories
Bloodpit - Von anspruchsvoller, emotionsgeladener Arbeit und warum Musiker manchmal "zwangsverheiratet" sind [Interview] Bloodpit - Mental Circus [Cd]

Leserkommentare

Zu diesem Interview wurde noch kein Kommentar geschrieben.

  • Um einen Kommentar zu schreiben, musst du dich einloggen.

BIZARRE RADIO PRÄSENTIERT