Konzertbericht

Haldern Festival - Haldern Pop 2006

Haldern Festival

Haldern Pop 2006

Rees-Haldern
04.08.2006

Generell ist der Niederrhein für sein mildes und angenehmes Wetter bekannt. Nur letztes Jahr, an einem Wochenende im August, hatte der Wettergott kein Erbarmen mit Besuchern und Veranstaltern des Haldern Pop Festivals und bescherte einen fast konstanten Nieselregen, der den Platz in eine Matschwüste verwandelte. Wohl dem, der damals Gummistiefel und regenfeste Kleidung mithatte. Auch dieses Jahr standen die Prognosen eher schlecht. Aber dazu später mehr.

Bereits am Donnerstag, nicht wie sonst Freitags, startete das Festival in die mittlerweile 23. Runde. Laut Veranstalter Stefan Reichmann aus gutem Grund, schließlich würde das Spiegelzelt sowieso schon stehen und die meisten Leute am Donnerstag bereits anreisen. So wie auch ich.

Donnerstag
Neben relativen Newcomern wie The Waking Eyes und Mystery Jets standen am Donnerstag auch Lambchop und Martha Wainwright auf der Bühne. Auf dem Zeltplatz gab es derweil auch Kontrastprogramm. So bauten The Kilians, eine junge Band aus Dinslaken, spontan ihren Bus auf dem Zeltplatz auf und gaben an eben jenem Abend zwei Konzerte. Offenbar zur Freude der Mitcamper, die sich spontan dazugesellten und die Jungs umjubelten.

Freitag
Der Freitag begann dann mit zwei Bands aus dem Zippo Talentwettbewerb. Vor allem Utah konnten überzeugen mit bodenständigem Indierock und gefälligen Melodien. Der danach auftretende Daniel Benjamin, übrigens seit eben diesem Wochenende neues Signing auf Haldern Pop Recordings, zeigte mitsamt seiner Band ein ausgewogenes Programm aus Pop, Rock und stillen Momenten. "Tut mir leid, dass das hier alles etwas länger dauert, ich komm vom Land", so ein Satz aus einer seiner Zwischenansagen. Es sei ihm voll und ganz verziehen.

Für mich erste Band des Hauptbühnenprogramms: The Zutons, die wie erwartet nicht nur Hits wie "Valerie" aus dem Hut zauberten, sondern auch "alte Helden" wie "You will you won't". Alles in allem eine bodenständige, seht tanzbare Show.

Als gegen 19 Uhr We Are Scientists auf die Bühne kamen, fing der eher unangenehme Teil an- was weniger an der Musik der Jungs lag, sondern eher an dem sturzbachartigen Regen. Es schien, als hätte der Himmel jegliche Schleusen geöffnet. Und verwandelte den Platz in eine Seenplatte. Glücklich waren in dem Moment alle, die sich auf den Wetterbericht verlassen hatten und mit Gummistiefeln und Regenjacken dabei hatten. Alle anderen standen im Regen. Von Sänger Keith wurde die gesamte Szenerie eher positiv gesehen: "You are wet. You are so beautiful!"

So schön auch nasse Menschen sind, so froh war ich doch, als ich noch während des laufenden Konzertes den Platz verließ, um mich im Zelt mit trockener Hose und Regenhose auszustatten. Der kluge Mensch denkt eben mit. The Cooper Temple Clause ließ ich wegen immer noch eher grenzwertiger Wetterverhältnisse direkt hinten vor, ich ließ mir aber hartgesottenen Bekannten sagen, dass sie ordentlich gerockt haben. So wie sie es schon zwei Jahre zuvor getan hatten.

Als nächste standen Motorpsycho auf dem Programm. Nach dem Weggang ihres Drummers Håkon Gebhardt zeigte sich der Ersatzmann durchaus fähig, konnte aber stellenweise leider nicht ganz Schritt halten mit dem ausufernden Gefrickel seiner beiden äußerst behaarten Bandkollegen.

Element of Crime mit ihrem Frontmann Sven Regener traten um viertel nach elf auf die Bühne und bewiesen gegen Ende ihres mehr oder minder durchschnittlichen Sets mit "Delmenhorst" einen begeisterungsfähigen Schlusspunkt.

Samstag
Ein neuer Tag, eine neue Chance? Nicht ganz. Erst gegen 17 Uhr den Platz wieder betreten, um dem Konzert von The Wrens beizuwohnen. Ein Wahnsinn, wie sehr Männer im besten Alter (sprich: Ende Dreißig) noch rocken können.

Umfeiert auch The Kooks, die allerdings nicht direkt vom Hocker reißen konnten. Und doch zum mitsingen animierten, weil sie Stücke wie "Naive" zum Besten gaben. Am Nachmittag sollen sie übrigens sogar auf dem Festivalgelände gesichtet worden sein. Es ist leider nicht überliefert, welche Band sie sich anschauten.

"The next big thing" Paolo Nutini lieferte Hausfrauenmusik deluxe, und sorgte mit seiner sanften Stimme und zarten Melodien für einen Ruhepunkt im Tagesprogramm. Nicht ganz mein persönlicher Fall, aber auf dem Haldern findet ja jeder Musiker seine Fans. So auch er.

Von vielen sehnlichst erwartet der Auftritt von James Dean Bradfield, seines Zeichens Frontmann der Manic Street Preachers. Begeisterungsstürme sehen anders aus, und so traf sein Mix aus neuen Solostücken und alten Manics-Klassikern wie "Ocean Spray" nur ansatzweise ins Schwarze.

Ganz im Gegensatz zu The Divine Comedy. Schon vor zwei Jahren hat die Band um Neil Hannon die anwesenden Musikfans verzaubert und ließ den Zauber auch in diesem Jahr weiterwirken: Unglaublich zum Beispiel die Coverversion von Nelly Furtados "Maneater". Oder seine kleine artistische Einlage, als er sich, zum Leid der Kameramänner, in den Bühnengraben begab, um sich bei dem Ausdruck "lose my conscience" demonstrativ in die gegen die Feuchtigkeit ausgelegten Holzspäne warf und die Sicherheitsleute verwundert stehen ließ. Alles in allem ein unvergesslicher Auftritt, der meinem Haldern-Wochenende noch das gewisse i-Tüpfelchen aufsetzte.


Auch dieses Jahr war das Haldern- Wochenende wieder viel zu schnell um. Von dieser Seite noch ein großes Lob an alle, die am Freitag dafür gesorgt haben, dass das Festival weitergehen konnte und nicht in den Wassermassen versank. Am Niederrhein hält man eben noch zusammen.

Nächstes Jahr wieder ins Lindendorf? Sowieso.

Und wer es gerne auch visuell hat, der kann sich hier umschauen.

Kathrin Grannemann07.08.2006

TRACKLIST

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