Interview

We Will Fly - Euphorie und Bus-Reparaturen

We Will Fly

Euphorie und Bus-Reparaturen

So ein Umzug ist schon etwas enorm stressiges und kann selbst gestandene Punkrocker den letzten Nerv kosten. Glücklicherweise fand Paul, Sänger und Gitarrist von We Will Fly, dann doch noch ein bisschen Zeit um zwischen Umzugskartons und Farbeimern Rede und Antwort zu stehen.

BR: Beschreib doch mal eure Musik.

Paul: hippies playing hardcore in a punkrock band!

BR: Ihr habt euer erstes Album selbst finanziert. Habt ihr das in der Hoffnung darauf gemacht, dass es sich irgendwann auch finanziell auszahlt oder nur als Teil eines Hobbies?

Paul: Wir wollten das Album unbedingt machen. Weil wir kein Label hatten war die Selbstfinanzierung unsere einzige Möglichkeit. Dass wir damit Geld verdienen war nie das Ziel, aber verkaufen müssen wir die Platten natürlich trotzdem um wenigstens die Schulden dafür abbezahlen zu können.

BR: Ihr seid bislang größtenteils im Ausland getourt (Holland, Tschechien, Österreich). Spielt ihr dort vor einem dankbareren Publikum oder ist es die pure Reiselust?

Paul: Es klingt vielleicht komisch, aber im Ausland sind wir immer leichter an Konzerte gekommen, weil sowohl Organisatoren als auch andere Bands unseren Anfragen kontaktfreudiger gegenüberstanden. Für Konzerte in Deutschland sind wir meistens gefragt worden. Irgendwie geht im Ausland für uns einfach mehr, vermutlich auch weil das Publikum es reizvoll findet eine weit angereiste Band zu sehen. Das ist hier ja nicht anders - was oft auch ziemlich schade ist.

BR: Was ist im Vergleich dazu das Reizvolle an Auftritten in der deutschen Provinz? Immerhin ist eure Heimatstadt Hof nicht gerade eine Punkrock-Institution.

Paul: Wenn man in seiner Heimatstadt spielt und auch nur halbwegs was drauf hat, geht auf den Konzerten eigentlich immer was. Wenn in einer Region nicht viel los ist, ist die Community natürlich immer da bei den spärlichen Konzerten. Ob man dann als Punkrocker auf ein Metalkonzert geht oder umgekehrt spielt kaum eine Rolle, so gesehen sind die Leute sehr aufgeschlossen. Den Status als Local Hero hat man sich jedenfalls wesentlich schneller erspielt als in einer Großstadt, die Beatsteaks waren für Berlin schließlich auch nicht immer das, was sie jetzt sind.

BR: Euer schönstes Tourerlebnis?

Paul: Ach, es ist immer super nach einem Konzert in einer fremden Stadt nochmal loszugehen mit Besuchern, Veranstaltern und den anderen Bands. Wiener Neustadt hat viel Spaß gemacht. Oder in München, als wir nach dem Konzert auf einer Queer-Party gelandet sind. Auf dem Land gibts sowas ja nicht und es war schon spaßig, als Horn (Bassist) dauernd mit lieblichen Blicken nach Feuer gefragt wurde...

BR: Kann eine Band mit wenig oder keinem Profit ohne Freundschaft existieren?

Paul: Wenn alle gute Musiker sind und es gewisse Schnittmengen gibt, glaube ich schon, dass das eine gewisse Zeit funktionieren kann. Es wäre aber nicht das Selbe. Für mich würde das wenig Sinn machen, am Ende könnte man es vielleicht sogar raushören. Eigentlich kann ich es aber nicht beurteilen, bei mir war es nie so.

BR: Myspace - Blödsinn oder eine neue Form von DIY?

Paul: Anfangs haben wir es als Blödsinn abgestempelt und uns sehr lange dagegen gesträubt. Früher haben sich Bands schließlich auch auf andere Weise einen Namen erspielen können. Irgendwann haben wirs dann schließlich doch auf gut Glück versucht, und was soll ich sagen: Wir kümmern uns kaum um unser Profil und adden nicht die ganze Zeit wildfremde Leute, aber viele unserer Konzerte - gerade im Ausland - hatten ihren Ursprung im Kontakt über Myspace. Für uns ist es also schon irgendwie ein Teil vom DIY. Allgemein sind solche Portale eine geeignete Plattform für Kunst- und Kulturschaffende, immerhin kann man untereinander kommunizieren und sich nach außen präsentieren. Wir haben so viele Veranstalter und Bands kennengelernt, dass Myspace so gesehen für uns schon mehr DIY ist als eine Booking-Agentur.

BR: Punkrock ist ein sehr antikommerzielles Milieu. Was haltet ihr davon, dass Riesenbands wie Radiohead oder Nine Inch Nails ihre Musik verschenken?

Paul: Ich hab das persönlich gar nicht so mitbekommen, hab das erst vor kurzem irgendwo aufgeschnappt. Wäre der Beweggrund der, seinen Fans Musik kostenlos zugängig zu machen weil man eh schon genug Kohle damit gescheffelt hat, fänd ich's toll. Inwieweit irgendwelche andere Strategien dahinter stehen, kann ich nicht beurteilen. Dass manche Leute behaupten, die Musik verliere dadurch an Wert, halte ich für Blödsinn. Wir würden unsere Musik am liebsten auch verschenken, aber wie gesagt müssen wir eben Kosten decken. Wenn der Bus nicht repariert werden kann, müssen wir Konzerte absagen.

BR: Wie wichtig ist Politik in der Musik, speziell im Punkrock?

Paul: Politik war im Punk immer eines der wichtigsten Themen. Ich bin nicht der Meinung, dass Musik allgemein ein Medium für Politik ist, aber wir können uns mit Musik einfach besser identifizieren wenn sie politisch oder sozialkritisch ist. Es ist ein Thema das uns bewegt und unsere lyrische Essenz bildet. Trotzdem gibts natürlich auch andere Dinge die uns bewegen, weswegen auch nicht nur politische Songs auf dem Album sind.

BR: Und wie sieht es mit Religion aus?

Paul: Ich erinner mich an die Simpsons-Folge, in der Flanders diese Kirchenmaus fragt, wo denn ihre Band ist. Und sie sagt nur: "Die machen jetzt Popmusik." Eigentlich liegt nicht soviel dazwischen, man muss nur "Baby" durch "Jesus" ersetzen (lacht). Wir halten jedenfalls nichts von Religion. Der Gedanke hinter Punk und Hardcore ist ja eigentlich auch ein antireligiöser, dementsprechend finde ich die Bezeichnung "christlicher Hardcore" auch ziemlich seltsam, auch wenn es ein paar tolle Alben aus dieser Sparte gibt. Bei Musik im allgemeinen macht mir das Thema nichts aus, es berührt mich halt nicht.

BR: Wie sieht die Zukunft von We Will Fly aus?

Paul: Wir haben uns entschlossen, gemeinsam nach Berlin zu ziehen, nächste Woche gehts los. Dementsprechend gibts dann auch erstmal eine kleine Zwangspause. Genau lässt sich jetzt ohnehin noch nichts sagen. 2009 peilen wir unser zweites Album an, wollen uns eine größere Fanbase erspielen und möglichst mit Labels in Kontakt treten. Touren wollen wir wieder in Osteuropa und falls es klappen sollte in Skandinavien, aber gerne auch mal öfter in Deutschland (lacht).

BR: Danke für das Interview!

Benedikt Ernst09.11.2008

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