Interview

The Cinematics - Kontrolle, Macht und Ungewissheit

The Cinematics

Kontrolle, Macht und Ungewissheit

Man trifft sich immer zwei Mal im Leben – was sich anbietet um direkte Vergleiche anzustellen. Nicht ganz zwei Jahre liegen zwischen meiner letzten Begegnung mit den Cinematics. Im Backstagebereich des Atomic Cafés warten die gleichen vier Männer auf mich doch sie sind nicht mehr die Selben.

Viel hat sich für die Band verändert. Leadgitarrist Ramsay Miller räumte Anfang 2008 seinen Posten und Larry Reid wurde zum neuen permanenten Bandmitglied. Das Label der Band steckte zudem in finanziellen Schwierigkeiten und lang herrschte Unklarheit ob auch nach einer Übernahme von TVT durch The Orchard der Vertrag mit der Band weiter bestehen würde.

Scott Rinning: Wir schrieben Songs – ohne zu wissen ob sie jemals jemand hören würde – über unsere Probleme in Glasgow, Nebenjobs, Beziehungen die man am Laufen zu halten versucht und über The Cinematics und ihr Schicksal die größte Band der Welt zu werden (lacht).

Um dieses Schicksal zu erfüllen, schrieb man gegen die Ungewissheit an und begann Demos der neuen Songs aufzunehmen.

Scott: Als The Orchard sich dann bei uns meldete und sagte, dass sie unser zweites Album gern herausbringen wollen – wo und mit wem wir es denn aufnehmen möchten – sagten wir: „Das haben wir schon getan.“ Die Demos waren so ausgereift, dass wir nur noch mal ins Studio mussten um das Schlagzeug und die Feinheiten aufzunehmen.

Larry Reid: Wir haben das Album noch mal aufgenommen – nicht nur Schlagzeug, Gesang und Bass.

Scott: Ja, was ich versuchte damit zu sagen, war das wir nicht mehr viel im Studio machen mussten. Das Grundgerüst stand.

Larry: Ja wir mussten nicht mehr viel tun. Wir wussten wie die Gitarren klingen sollten und welche Art Geräusche wir noch einfügen wollten. Wir wussten das können wir auch allein – ohne einem Typen einen Koffer voll Geld zu geben. Wir haben unsere Demos einfach ein wenig aufpoliert.

Man merkt deutlich welch starke Rolle Larry innerhalb der „neuen“ Cinematics spielt. Saß er nur 18 Monate zuvor als Aushilfsgitarrist der Band auf der Couch und sagte kaum ein Wort, so reißt er nun gern das Gespräch an sich. Zusammen mit Scott bildet er das sich nicht immer ganz so einige Führungsduo der Band. Wobei der eine immer fest in seiner Rolle als charismatischer Leadsinger bleibt, während der andere sich als Kopf hinter dem Sound der Band versteht.

BR: Auf „Love and Terror“ tritt die elektronische Komponente weiter zurück als noch auf „A Strange Education“ – das ganze Album klingt organischer.

Scott: Oh ja, alles darauf haben wir selbst gemacht. Es ist eine Art Gegensteuern zu unserem ersten Album. Damals waren wir jung und bei einer Plattenfirma die zwar independent war aber wie ein Majorlabel geführt wurde. Wir waren in Peter Gabriels Studio – Box Real World – einem der besten Studios der Welt. Als Band sind wir damals Kompromisse eingegangen mit denen wir uns nicht hundertprozentig wohlfühlten. Ich liebe mein erstes Album. Ich bin Stolz darauf. Ich bereue es nicht, aber wenn du etwas einmal gemacht hast, weißt du wie es in Zukunft nicht mehr sein soll. Als wir realisierten das TVT im Sterben lag sahen wir es als eine Gelegenheit – auch wenn wir da eher reinstolperten. Wir entwickelten eine Art Ethos: „Wir sind die Cinematics. Wir wissen wie wir klingen wollen. Wir wissen worum es bei uns geht. Wir wissen was wir sagen wollen und wie wir es sagen wollen. Und wir werden sicherstellen, dass wir es auf unsere Art tun.“

Durch die Krise, so scheint es, haben die Cinematics ein neues Selbstbewusstsein gefunden, aber auch ein neues Verhältnis zu ihrem momentan Nochwohnsitz Glasgow.

BR: Auf dem neuen Album befindet sich ein Song der „Moving to Berlin“ heißt. Ich habe gelesen, dass das für euch bald zur Realität werden wird. Wann ist es soweit und warum?

Scott: Es klingt vielleicht nach einem furchtbaren Grund umziehen, aber Glasgow ist einfach so unglaublich teuer und Musiker haben generell nicht so viel Geld und Berlin ist billig. Unglaublich viele Bands zieht es dorthin. David Byrne von den Talking Heads hat immer über New York gesagt, dass es soviel besser dort war bevor die Stadt gesäubert wurde. In der Zeit als es sich Künstler noch leisten konnten in Manhattan zu leben gab es dort Punk und Hip Hop. All diese großartigen Dinge passierten dort. Und nun ist New York scheiße, denn keiner kann es sich mehr leisten dort zu leben.

BR: Gentrifizierung.

Scott: Ja, genau. Das ist es was in Glasgow passiert.

Larry: Glasgow hat den Ruf eine raue Stadt zu sein. Die Grundsteuern sind dort so hoch, dass man als Künstler dort nicht leben kann. Vor zehn Jahren gab es noch Bands wie Franz Ferdinand die in der Stadt Häuser besetzten. Das gibt es nicht mehr. Es kostet uns hunderte von Pfund pro Woche um in Glasgow zu proben. Glasgow ist gentrifiziert. Die Armen werden in die Randbezirke verdrängt.

Doch es ist nicht nur die finanzielle Komponente, welche die Cinematics nach Berlin zieht.

Scott: Dort passiert etwas. Die Stadt hat diese Energie. Ein pulsierendes Nachtleben. Bands von überallher kommen in die Stadt um dort zu leben und zu arbeiten.

Man kann die Begeisterung der Band über einen baldigen Standortwechsel deutlich spüren. Und man geht auch nicht ganz unvorbereitet auf das Abenteuer Deutschland zu. Scott greift hinter sich und präsentiert stolz sein Langenscheidt „Deutsch in 30 Tagen“. Er macht Fortschritte, auch wenn es ihm wahnsinnig schwer fällt Deutsch zu lernen. Das die Cinematics an ihren Aufgaben wachsen haben sie in der letzten Zeit zur Genüge bewiesen und so lässt sich nicht ausschließen, dass Scotts Versprechen: „Wenn wir uns das nächste Mal treffen, führen wir mindestens die Hälfte des Interviews auf Deutsch“ Wirklichkeit wird.

Angelika Möller28.09.2009

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