Konzertbericht

The Good Life

The Good Life = Inkongruenz = Größe

Heidelberg - Karlstorbahnhof
05.02.2005

Schon sehr bald wird man sich auf Konzerten der Saddle-Creek-Vorzeigeband Bright Eyes neben 1000 und mehr Fans die Füße an den Bauch stehen, man wird sich bedrängt fühlen ob der erdrückenden Menschenmassen. Ja, man wird – je nach Körpergröße – vielleicht gar auf jeglichen optischen Eindruck von der Band verzichten müssen. Wer Musik im Stile der Bright Eyes zu schätzen weiß, aber keine Lust auf Konzerte der beschriebenen Größenordnung hat, für den dürfte es nichts Schöneres geben, als ein fast noch familiäres Konzert der Labelkollegen und Seelenverwandten von The Good Life.

So kürzlich geschehen, als The Good Life – das Indie-Folk Projekt des Cursive Sängers Tim Kasher – dem geradezu handverlesenen Heidelberger Publikum ihre aktuelle CD „Album Of The Year“ vorstellten. „Album Of The Year“ – das klingt nach Selbstüberschätzung, ist aber nur der Aufhänger für ein in kalendarischer Form aufgebautes Konzeptalbum. Mit großer Eindringlichkeit befasst sich Kasher hier den Schattenseiten der Liebe: Entfremdung, Untreue sowie das Betäuben von Beziehungsproblemen mit Alkohol. Von der emotionalen und teils zerbrechlichen Ruhe des Albums, bleibt live an diesem Abend aber nicht viel übrig.

Der Schwerpunkt liegt hier klar auf den rockigeren Stücken. Die eingängigen Songs „Lovers Need Lawyers“ und „Album Of The Year“ von der aktuellen CD wissen dabei ebenso zu überzeugen wie die älteren Stücke „I Am An Island“ oder „Needy“. Musikalischer Höhepunkt und unwiderlegbarer Qualitätsbeweis ist an diesem Abend jedoch „O’Rourke’s, 1:20 A.M.“. Ruhig webt die Band den Zuschauer zunächst ein, legt dann gar eine Pause von mehreren Sekunden ein, bevor der Song aufbraust und schließlich in ein zerfahrenes Wechselspiel aus Flüstern und Schreien mündet.

Die größte Stärke von The Good Life ist dabei nicht etwa eine besonders aufwendig inszenierte oder perfekte Bühnenperformance. Nein, die Größe liegt hier alleine in der Inkongruenz. Wenn eine Band mit so lustigen Instrumenten wie einer Melodika aufwartet, wenn deren Sänger Tim Kasher das (vermeintliche) Hinterwäldlertum der eigenen Person so geschickt zu karikieren vermag („I know, I don’t look like someone who is able to rock a lot, but I’m going to rock your breath and balls off!“) und später wie wild mit zwei Rasseln umherwirbelt, dann kann es für dieses Konzert einfach nicht weniger als das Attribut „wirklich gute Unterhaltung“ geben.

Danke an Melle für das Foto.

Martin Baum15.02.2005

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