Interview

Sarah Bettens - Der simple Lauf der Dinge

Sarah Bettens

Der simple Lauf der Dinge

Wer Sarah Bettens sagt, der sagt erstmal K’s Choice. Und wer K’s Choice sagt, der sagt eben neben Bruder Gert in erster Linie auch Sarah Bettens. Und wer singt “It's not a habit, it's cool, I feel alive, if you don't have it you're on the other side. I'm not an addict (maybe that's a lie)”, dem muss es gut gehen! Ein Sommerregen vor der Bühne, in der Disco oder zuhause. Mit „Not An Addict“ lieferten K’s Choice 1996 eine Umarmung von einem Hit. Der Erfolg stellte sich schnell auch weit über Belgien hinaus ein.
Was das alles aber erst so besonders machte, war diese unglaublich sympathische Sarah Bettens mit einer Stimme irgendwo unbeschreiblich zwischen warm, verraucht, kratzig, leidenschaftlich, laut und leise. Dazu wäre man als Kind wohl gerne eingeschlafen.

Seitdem hat sich viel getan. Nach zwei weiteren Alben, euphorischen Festival-Auftritten und weiteren Hits wie „Believe“, „In Your Room“ oder „Everything’s For Free“ wurde es erschreckend still um K’s Choice. Sarah siedelte derweil nach Amerika über und gründete Familie. Offen, was mit der Band würde, einig der Wunsch nach neuen Ufern. Umso erfreulicher, dass sich die mittlerweile 32jährige dieser Tage mit ihrem ersten Soloalbum namens „Scream“ präsentiert. Zum wirklich aufgeregt sein ist sie schon zu lange dabei. Aber neu und spannend ist trotzdem alles. Offen, bedacht, aufgeräumt, unglaublich zufrieden mit sich und der Welt, frohen Mutes und vor allem mit einer wunderbaren Ausstrahlung gab die bezaubernde Belgierin Auskunft über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.


BR: Was hast Du in den letzten Jahren gemacht?

Sarah: Nun, ich glaube schon dass ich was gearbeitet habe! Erstmal kam mit „Ten“ eine K’s Choice-Best-Of-CD raus sowie eine DVD, dafür haben wir erst in Europa Promotion gemacht, und ein Jahr später wurde das Ganze auch in den USA veröffentlicht, da haben wir dann im letzten Oktober eine Tour gespielt. Ich habe viel geschrieben und aufgenommen, bin wieder ins Studio gegangen…es hat mich schon eine Menge Zeit gekostet, dieses Album zu veröffentlichen. Ich wechselte die Labels, brachte letztes Jahr ein Mini-Album mit fünf Songs, tourte dazu etwas, und endlich sitze ich nun hier mit dem kompletten Album!

BR: Du erwähntest bereits K’s Choice: Nicht wenige Menschen hier glaubten bisher, ihr wäret offensichtlich bereits Vergangenheit.

Sarah: Wir glauben im Moment eher an eine Art Pause. Wir beide (Gert Bettens, Bruder und zweiter K’s Choice-Kopf, d.Verf.) wollten ein Solo-Album machen, einfach um mal was anderes zu machen. Wir werden einfach sehen, was auch immer als nächstes passiert. Wir sind ja schon irgendwo noch da, die Tour ist ja auch erst drei Monate her. Aber wir beide brauchten was neues, was uns wirklich reizt, und ein Soloalbum war da für beide anregender als ein fünftes K’s Choice-Album. Und es läuft alles wirklich gut im Moment so! Alles was ich erwartet und mir erhofft habe, ist eingetroffen, und Gert hat seine Aufnahmen auch gerade beendet, ihm geht’s also genauso gut!

BR: Also war das der Hauptgrund für ein Solo-Album, einfach mal was anderes zu machen?

Sarah: Wir hatten zwar Spaß mit K’s Choice und kamen alle blendend miteinander aus, aber da war halt dieses Gefühl „Okay, wir haben das alles schon gemacht“, und das löste mehr und mehr den Wunsch aus, was Neues und deshalb für uns ängstlicheres zu machen als die alten sicheren Sachen. Und einzeln Platten aufzunehmen ist so was. Ich fragte mich wirklich was passieren würde, schließlich war mein komplettes Erwachsenen-Dasein von K’s Choice geprägt, ich war 20 als wir anfingen, und ich habe noch nie eine Platte mit jemand anderem gemacht! Das war ein wirklicher treibender Ansporn.

BR: Inwiefern unterscheiden sich Deine Songs nun zu denen von K’s Choice?

Sarah: Es war ein anderer Ansatz für mein erstes Soloalbum zu schreiben als für eine Band-Platte. Ich hab mit einigen Leuten zusammen was geschrieben, was viel Spass gemacht hat und ich viel davon gelernt habe. Bei den Songs die ich alleine schrieb wollte ich einfach meine eigene Story erzählen. Da waren einige Dinge die mich sehr beschäftigten, das wollte ich alles sagen auf diesem Solo-Album. So wie wir die Songs schrieben, aufnahmen, wie die Instrumente alle um meinen Gesang herum gebaut sind, so offensichtlich klingt es für mich nach dem was es ist, einem Soloalbum und keiner Band! Aber natürlich ist es auch nicht 180° entfernt von dem was wir mit K’s Choice gemacht haben, da hab ich mich ja nun auch nie so gefühlt als könnte ich nicht die Musik machen die ich wirklich möchte. Ich schreibe also eigentlich so, wie ich es schon immer gemacht habe, es hat nur einen anderen Beigeschmack!

BR: Sind die Songs also autobiographischer?

Sarah: Schon bei K’s Choice schrieb ich natürlich Songs, die nah an mir dran waren. Aber ich bin seitdem durch ziemlich prägende Jahre meines Lebens gegangen, die sich hier ein Stück weit wieder finden. Da es mein erstes Soloalbum wurde, grub ich darüber hinaus natürlich noch etwas tiefer in mir als sonst, ich wollte die Story meiner letzten paar Jahre erzählen. Das war schon alles anders, ohne meinen Bruder und die Band, und das wollte ich auch rüberbringen: „Hey that’s me!“

BR: Ist der Opener „Scream“ da stellvertretend?

Sarah: Als Albumtitel passte „Scream“ ganz gut, weil es einfach meine Absicht unterstreichen sollte und soviel sagt wie „Hier bin ich“. Der Song an sich ist mehr eine Metapher, es geht um Leute die Dir sagen wollen wie du fühlen, denken und handeln sollst, und denken dass Du es glaubst wenn sie es nur laut genug und andauernd sagen – aber das ist meistens ja nicht der beste Weg jemandem etwas zu sagen…

BR: Geht „Don’t Stop“ auch an andere Leute oder an Dich selbst?

Sarah: An jeden der Bock hat es zu hören, aber wahrscheinlich letzten Endes doch eher an mich! Der Song sollte auf keinen Fall zu preachy werden, ich will keinem sagen was er wie zu tun hat! Es geht sich mehr um Beobachtungen im Leben, die ich dann niederschreibe, und wenn ich es mir dann später angucke denke ich oft, dass ich es anscheinend doch für mich geschrieben habe. Ich nehme meine Arbeit sehr ernst, ich nehme die Leute in meinem Leben sehr ernst, aber ich versuche mich selber nicht allzu ernst zu nehmen!

BR: Auf „Scream“ finden sich mehr Rock-Elemente wieder als auf Eurem letzten Album „Almost Happy“.

Sarah: Ja, das stimmt! Das war etwas was ich endlich mal wieder unbedingt machen wollte! Ich liebe es auf der Bühne zu stehen und einfach mal rocken zu können. Und „Almost Happy“ war mit Abstand das leiseste, was wir je gemacht haben. Ich hab es also etwas vermisst laut zu sein! Das passt aber auch ganz gut dazu, wie es mir im Moment geht. Zu Zeiten von „Almost Happy“ hatte ich so was wie einen Tiefpunkt in meinem privaten Leben, so was spiegelt sich immer in der Musik wider, die Du zur jeweiligen Zeit schreibst. Jetzt geht’s mir richtig gut, aber etwas von diesem Auf und Ab, also trotzdem auch mal nachdenklichere Songs auf dem Album zu haben, brauche ich trotzdem, denn das ist genauso Teil von mir.

BR: Entstanden die Songs alle für dieses Album oder existierten sie schon länger?

Sarah: Nein, die habe ich alle hierfür geschrieben. Insgesamt mehr als 30 Stück. Der einzige ältere Song ist „Turn Around“, der während den „Almost Happy“-Aufnahmen entstand. Alles andere schrieb ich bewusst dazu, dass sie mal auf meinem Solo-Album landen sollten.

BR: Hattest Du eine Studioband für die Aufnahmen?

Sarah: Aufgenommen habe ich mit meinem Produzenten Greg Wells in L.A., er spielt jedes Instrument! Die Hälfte der Platte entstand nur mit ihm und mir, komplett anders als mit K’s Choice! Wir starteten oft nur mit einer Akustik-Gitarre und brachten langsam immer neues dazu. Die zweite Hälfte nahmen wir mit Erik, unserem K’s Choice-Bassisten, auf - er ist immer noch in meiner Band – und Brady, einem unglaublichen Drummer. Sie haben all Ihre Tracks in zwei Tagen aufgenommen. Das war wirklich magisch mit so einer erstaunlichen Rhythmus-Fraktion. Aber die Gitarren- und Pianoparts und alles andere für diese Songs hat ebenfalls Greg eingespielt. Das war wirklich toll mit ihm, wir sind beide sehr schnell arbeitend, gerade deswegen hatten wir genug Zeit zum Relaxen zwischendurch. Genauso einen brauchte ich! Das war der größte Unterschied zwischen Aufnahmen mit Band und ohne.

BR: Wie wird dann die Live-Umsetzung umsehen, wenn es eine gibt?

Sarah: Wir versuchen diesen Sommer soviel wie möglich zu spielen, viele Festivals, im Herbst Clubshows. Im Moment bin ich mit meinem neuen Gitarristen, einem Amerikaner, unterwegs, der sich jetzt gerade Köln anguckt und schon zuletzt auch bei K’s Choice mit dabei war. Außerdem sind Erik und Brady mit dabei sowie der Keyboarder, mit dem ich schon letzten Sommer spielte. Und das bleibt auch hoffentlich so, denn die Chemie stimmt und das ist gerade auf der Bühne für mich ungemein wichtig! Sowas ist einfach eine Band-Erfahrung, das merkt das Publikum ja auch, ob die Leute auf der Bühne ne gute Zeit haben oder nicht!

BR: Wie fühlt es sich an, nach großem Banderfolg nun alleine ein Stück weit neu anzufangen?

Sarah: Das ist ein Teil der Spannung! Es fühlt sich nicht wirklich so an wie vor 10 Jahren, aber ich muss wieder meinen eigenen Weg gehen. Nicht alle verbinden mich mit K’s Choice oder kennen uns, die Leute beurteilen mich dann alleine nach der Show oder der Platte, und genau so will ich das auch! Auch deshalb haben wir schon letztes Jahr das Mini-Album „Go“ rausgebracht und sind getourt, die Leute sollten sehen und hören, was ich solo so mache, unabhängig davon was sie von K’s Choice hielten.

BR: Und wenn Leute nun K’s Choice mochten und Deine Solo-Sachen nicht mehr so?

Sarah: Ja, das wäre schon ein Problem, da wäre ich enttäuscht! Aber umgekehrt gibt es ja auch Leute, die vielleicht K’s Choice nicht mochten aber nun meine Musik, und hoffentlich sind diese in der Überzahl!

BR: Wie groß schätzt Du Euren Einfluss als Band auf jüngere Bands wie z.B. Krezip aus Holland oder die belgische und niederländische Musikszene ein?

Sarah: Das ist schwer zu sagen. Ich weiß noch, als wir mit K’s Choice angefangen haben in anderen Ländern zu spielen, waren wir so gut wie die einzigen die außerhalb Belgiens spielten. Und das hat vielleicht die Plattenlabel erkennen oder glauben lassen, dass in belgischen Bands Potenzial steckt. Darüber hinaus hat eine erfolgreiche Band mit einer Frau am Mikrofon vielleicht andere Mädchen dazu inspiriert, es auch zu versuchen!

BR: Frontfrauen sind ja sowieso immer noch eher selten.

Sarah: Ja das stimmt! Das hab ich zum Beispiel auf unseren letzten Festivals gemerkt! Auf einigen war ich die einzige Sängerin. Ich erinnere mich da sonst noch an PJ Harvey, aber das war’s auch schon bald. So was fällt mir aber auch meistens nur dann auf, wenn mich jemand danach fragt.

BR: Aus Belgien kommt ja eine ganze Hand herausragender Bands wie z.B. Soulwax oder Deus. Existiert da eine funktionierende Szene oder macht jeder sein eigenes Ding?

Sarah: Das ist für mich erstmal schwer zu beantworten, weil ich nicht in Belgien lebe, sondern in Tennessee, USA. Aber ich glaube da gibt’s schon eine Art Szene, jedenfalls kennt sich jeder ganz gut. Aber es ist nicht vergleichbar mit z.B. „Britpop“, wo alles gleich klingt. Keine belgische Band klingt wie die andere, Soulwax nicht wie Deus, Deus nicht wie K’s Choice oder Novastar. Alle haben ihren ganz eigenen typischen Sound, der nichts mit dem der anderen zu tun hat, und das macht Belgien aus. Dieses Schubladendenken ist erfreulicherweise dort auch völlig unnötig. In den USA ist das wiederum echt schlimm, alles ist formatiert, Du machst das Radio an und weißt genau was für Musik Du da hören wirst. In Belgien zum Beispiel wird man da eher noch überrascht, da wird alles gespielt und Du weißt nie, was da als Nächstes kommt, was immer seltener wird. Und vielleicht ist es diese Freiheit, die belgische Bands dazu bewegt, genau das zu machen, worauf sie Lust haben.

BR: Viele ehemalige Frontsängerinnen haben mittlerweile eine erfolgreiche Solo-Karriere hingelegt, z.B. Skin von Skunk Anansie oder vor allem Gwen Stefani, die ja wirklich ein Mega-Star ist. Ist so was auch Deine Absicht, oder hast Du diese Platte nur gemacht, um sie zu machen?

Sarah: Um ganz ehrlich zu sein: Ich will schon eine Karriere machen, das ist nicht nur ein Neben-Projekt von mir. Ich glaube nicht dass K’s Choice Geschichte sind, weil ich die Zukunft nicht voraussagen kann. Aber im Moment ist das was ich mache genau mein Ding und meine Karriere. Ich erwarte nicht, in Gwen Stefani – Dimensionen hochzuschießen, aber etwas erwarte ich schon.

BR: Deine Stimme weiß besonders im Zusammenspiel mit anderen Künstlern zu überzeugen und noch mehr Wärme auszustrahlen als so schon, wie z.B. in der Cover-Version von Live’s „I alone“ zusammen mit Anouk. Das ist etwas, was auch in Zukunft interessant bleiben könnte.

Sarah: Ja, so was habe ich immer geliebt und gerne gemacht! Vieles davon passierte in Holland auf Festivals. Ich liebe es wenn man Menschen trifft, sich spontan zusammentut und dann mit etwas um die Ecke kommt! Mit Anouk war das auch so, und es hat sehr viel Spaß gemacht. Ich hoffe, so was in der Zukunft noch öfter machen zu können. Und irgendwann vielleicht auch mal was mit Skin, wir haben da schon öfter drüber gesprochen. Zwar haben wir mal „Weak“ gespielt, und ein anderes Mal hat sie dann mit uns „Not An Addict“ live gesungen, aber es wäre toll, mal mit Ihr etwas im Studio für eine bestimmte Sache aufzunehmen!

BR: Du erwähntest zwar bereits, dass die Zukunft für K’s Choice in den Sternen steht. Du kannst Euren Fans also keinerlei Tendenz geben oder irgendwas über Eure Zukunft sagen?

Sarah: Es hängt wirklich alles davon ab, was nun so passiert. Meine Platte kommt jetzt bald raus, ich hoffe dass sie das auch in den USA tut, in den nächsten 1 ½ Jahren werde ich also erstmal unterwegs sein und touren. Alles was danach kommt hängt davon ab wie viel Spaß ich haben werde, wie viel Spaß mein Bruder hat, der gerade eine Familie gründet. Will ich dann noch ein Album machen, will er? Schwer vorauszusagen, wir können es also nur offen lassen…

Fabian Soethof10.03.2005

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