Cd-Besprechung

Enslaved - Vertebrae

Enslaved

Vertebrae

Plastic Hd (Soulfood Music)
  Vö: 04.10.2008

Bewertung:  11 Punkte
Leserwertung:  14.0 Punkte
Stimmenzahl: 1

Diejenigen, die der Meinung sind, dass die Wikingerthematik endlich einmal ausgelatscht ist und für eine Weile ruhen sollte, sind beim neuesten Werk von ENSLAVED richtig. Mit „Vertebrae“ eilen die Norweger ihren Kollegen wieder einmal mit Siebenmeilenstiefeln voraus. 2 ½ Jahre ist es her, seit Ivar, Grutle, Cato, Arve und Herbrand ihren letzten Rundling „Ruun“ veröffentlichten. „Ruun“ brachte der Band einiges an Erfolg und lange befürchtete man, dass ENSLAVED versuchen würden eine Art „Ruun II“ zu produzieren. Doch die Angst kann genommen werden, „Vertebrae“ ist ein eigenständiges Werk, dass verdient hier und dort an „Ruun“ erinnert, ohne aber zu lange in diesen Gleisen zu fahren.

„Vertebrae“ wurde erstmals auf dem Wacken Festival 2008 vorgestellt, wodurch die Band schon gute Resonanzen erhielt. Aus dem Lateinischen übersetzten lässt sich der Begriff mit „Wirbel“, im Sinne eines einzelnen Gliedes der Wirbelsäule. Auch das Cover von „Vertebrae“ ziert ein ebensolcher Wirbel im Querschnitt. Truls Espedal zeichnet sich seit mittlerweile 7 Jahren verantwortlich für das Artwork von Enslaved. Ein Muss sind mittlerweile die Nachtsessions, in denen sich Espedal mit den Bandmitgliedern zusammensetzt, um Ideen zu sammeln und zu verarbeiten. Das neuste Album soll als Digipack, Jewelcase und als Vinyl erhältlich sein, so dass Espedal sich künstlerisch voll entfalten konnte. Diese Freiheit gibt die Band dem Künstler immer wieder gern.

ENSLAVED sind bekannt für spezielle Musik, die sich nicht für jedes Ohr als zugänglich erweist. Distanziert von der nordischen Mythologie und Wikingersagen, warten die Norweger mit harschem Gesang und thrashigem Schlagzeug auf. Die psychedelische, ausladende Stimmung, die schon auf „Ruun“ heraufbeschworen wurde, wird auf „Vertebrae“ kontrastiert durch düstere, epische und brutale Sequenzen.

Angenehm kantig klingt das neueste Werk, keineswegs handelt es sich um eine berechenbare Scheibe. Man verarbeitet sowohl progressive Elemente, die besonders bei „Clouds“ hörbar und seit jeher Bestandteil der Musik von ENSLAVED sind. Aber auch doomige Elemente kommen besonders beim düsteren „To The Coast“ zum Tragen, gesanglich durchaus angenehmer, weil erdiger und tiefer. Episch geht es zu Werke beim Titelsong „Vertebrae“, der mit Clean-Gesang aufwartet und dessen andächtige und getragene Sequenzen den Song zu einem Kleinod der Band machen. Stürmisch geht es weiter mit „New Dawn“, dessen majestätischer Refrain durch Keyboard unterstützt und heftiges Schagzeug kontrastiert wird. Bedächtig mit schweren Schritten kommt „Center“ daher, welches durch gequälte, langgezogene Grunts klingt, als würde sich der Höllenfürst persönlich auf seinen langen Weg an die Oberfläche machen. Ein herrlich atmosphärischer Song in Überlange, der nach einer ruhigen Passage mit rockigen Gitarren und Männerchor loslegt und durch diesen Abwechslungsreichtum sogar noch länger hätte sein dürfen. Gelungen auch die Anwendung von Akustischen Perioden, wie sie beispielsweise bei „Ground“ zu hören sind. Besonders der Schlusstrack „The Watcher“ weist einige Merkmale des Vorgängeralbums auf, so dass man versucht ist, direkt im Anschluss auch „Ruun“ mal wieder die Ehre zu geben. Doch handelt es sich eher um ein Bindeglied, dass den Kreis schließt, als um einen „Abklatsch“. Leider ist der Song mit 4:11 Minuten der kürzeste des Album und hinterlässt den Hörer mit dem Bedürfnis nach mehr, eben weil es sich dabei um einen herrlich treibenden, melodischen und intensiven Song handelt.

Abgemischt wurde „Vertebrae“ von Evil Joe Barresi, der auch schon für namhafte Bands wie TOOL oder QEENS OF THE STONEAGE gewirkt hat. Gemastert hat das Album niemand geringeres als George Marino, dem sich bereits Größen wie LED ZEPPELIN oder METALLICA anvertrauten. Produziert von Ivar Bjørnson, Herbrand Larsen und Grutle Kjellson, entsteht mit „Vertebrae“ ein starkes Extreme Metal Album: Sound, Songs und die Atmosphäre verbinden sich zu einem Meilenstein für die Band und für andere Bands des Genres.

Alles in Allem handelt es sich bei „Vertebrae“ um eine Scheibe, die mehr als einmal gehört werden muss, um die Genialität würdigen zu können. Handzahmer als bisher können und wollen ENSLAVED höchstwahrscheinlich nicht leugnen, dass kommerzieller Erfolg durchaus seine Vorteile hat. Der Abwechslungsreichtum, der unter anderem durch Tempiwechsel und der Verbindung von harmonischen und psychedelischen Elementen erreicht wird, sorgt auch dafür, dass „Vertebrae“ mitunter „gewöhnungsbedürftig“ klingt. Hat man die Breaks aber erst einmal raus und kann der Melodieführung folgen, ist der Gehörgang frei, um die Genialität, mit der ENSLAVED zu Werke gehen, wertschätzen zu können.
Liebhaber harter und zugleich tiefgängiger Musik sollten sich unbedingt ein eigenes Bild machen.

ENSLAVED gehen ab November 2008 auf eine ausgedehnte Tournee durch Europa. Hier die Tourdaten für Deutschland:

07.11.2008 Capitol, Marne
08.11.2008 Grugahalle/ Heidenfest, Essen
30.11.2008 Backstage, München
02.12.2008 Roxy, Saarbücken
03.12.2008 Steinbruch Theater, Darmstadt
04.12.2008 Werkstatt, Köln
05.12.2008 Markthalle, Hamburg
06.12.2008 Hellraiser, Leipzig
09.12.2008 Kato, Berlin

Begleitet werden ENSLAVED von STONEGARD und KRAKOW.

11 Punkte (von max. 15)

Conny König03.10.2008

TRACKLIST
1. Clouds
2. To The Coast***
3. Ground
4. Vertebrae***
5. New Dawn
6. Relections
7. Center***
[ *** Anspieltipps ]

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